Helmstedt – die Geschichte einer deutschen Stadt
Helmstedt – die Geschichte einer deutschen Stadt ist eine Chronik über Helmstedt von Hans-Ehrhard Müller aus dem Jahr 1999. Dieser Artikel hat das Ziel, die gesamte Chronik abzubilden und wird lediglich an die neue Rechtschreibung angepasst.
Das Helmstedter Stadtwappen (S. 99–100)
Wir kennen alle das Helmstedter Stadtwappen: Es zeigt den Heiligen Ludgerus mit roter Kasel und Mitra und mit dem Abtstab in der rechten und mit einem Buch, wohl der Heiligen Schrift, in der linken Hand. Auf das Merkmal Stadt weist die Mauer hin. Es beweist weiter, dass Helmstedt unter dem Krummstab groß geworden ist. Erstmals finden wir dieses Motiv in einem Helmstedter Siegel aus dem Jahr 1232. In dieser Form wurde das Siegel bis in das 16. Jahrhundert und wahrscheinlich auch noch später benutzt. Die Legende, d. h. die Umschrift in der Rundung, hat den Wortlaut „Sigillum burgnsium in Helmstadt", d. h. in deutsch „Siegel der Bürgerschaft in Helmstedt“, dabei hatte man in dem lateinischen Wort für Bürgerschaft das „e“ vergessen. Außer diesem großen Siegel gab es drei kleinere, die, wenn auch nicht zugleich, so aber ebenfalls bis in die Neuzeit dazu dienten, offizielle Akten der Stadt abzusiegeln. Auch noch in den Jahren 1622 und 1625 finden wir den Heiligen Ludgerus auf städtischen Urkunden. Zugleich wird aber ein anderes Symbol zum Emblem der Stadt: zwei gekreuzte Krummstäbe. Wir finden sie in den Holzschnitzereien am Rohrschen Haus (untere Reihe, siebentes Feld von links) und am Beguinenhaus (erbaut 1580). Dort trägt die Darstellung den Zusatz „DRW“ = des Rates Wappen. Auch der bekannte Merianstich von 1654 zeigt sie als Wappen der Stadt. Am heutigen Rathaus sind sie an der Außenfront über dem mittleren Fenster des Sitzungssaales und über dem heutigen Stadtwappen ebenfalls sichtbar, gewissermaßen als Bindeglied zwischen dem mittelalterlichen Helmstedt und dem heutigen. Der Heilige Ludgerus war früher allein Inhalt des Siegels. Wappen und Siegel waren also verschieden. Arnold Rabbow, Verfasser des Braunschweigischen Wappenbuchs, Braunschweig 1977, ist dieser Unterschied mitunter begegnet, „diese Unterscheidung hat auch einen praktischen Sinn: Siegelbilder wurden damals gern detailreich und künstlerisch aufwendig gestaltet, um die Fälschung zu erschweren. Ein Wappen aber soll auch auf weite Sicht gut erkennbar sein, soll mithin einfach und übersichtlich gestaltet sein“.[1] Im 19. Jahrhundert erscheint der Heilige Ludger auch als Wappen der Stadt. Er trägt jetzt aber nicht das Heilige Buch, sondern einen Kelch.
Um die letzte Jahrhundertwende wünschte man die offizielle Genehmigung eines Wappens durch den Herzog. So musste man sich zunächst über ein Motiv einigen. In Frage kamen die beiden „Löffel“, d. h. die Krummstäbe, oder der Heilige Ludger. Man dachte aber auch über ein ganz neues Motiv nach. Zunächst jedoch versuchte man, eine offizielle Stadtfarbe einzuführen. Der Archivrat Dr. Paul Zimmermann, der deshalb vom Rat angeschrieben wurde, stellte aus der Geschichte der Stadt und insbesondere aus den überlieferten Symbolen der beiden Ludgeri Klöster in Helmstedt und Werden die dominierenden Farben Blau und Weiß heraus und empfahl sie als Stadtfarben. Der Rat entsprach diesem Vorschlag. „Blau-Weiß“ wurden somit die Helmstedter Farben, sie sind es bis heute geblieben. Im übrigen zeigte sich das „Pferd“ am Stadthaus in „Weiß“ auf blauem Grund. Der braunschweigische Geschichtsverein hat Anfang unseres Jahrhunderts einmal festgestellt, die eigentlichen Helmstedter Farben seien „Rot-Gold“. Diese Feststellung führt zu dem „Löffel-Bild" zurück, es zeigt nämlich die beiden Abtstäbe „golden“ und den Hintergrund „rot“.
Mit der Wahl von „Blau-Weiß“ als Helmstedter Farben war auch die Entscheidung hinsichtlich des Wappens gefallen: Der Heilige Ludgerus mit der Stadtmauer und dem Heiligen Buch sollte das Symbol unserer Stadt werden.
Durch Erlass vom 25. Mai 1900 genehmigte „Seine Königliche Hoheit, Albrecht von Preußen, Regent des Herzogs“ das Wappen der Stadt Helmstedt in der heutigen Form. Es zeigt auf blauem Hintergrund die Figur des Heiligen Ludgerus, teilweise in weiß gehalten und umgeben von Mauerwerk, das ebenfalls in weißer Farbe dargestellt wird, mit dem Heiligen Buch. Aber auch die eigentlichen Helmstedter Stadtfarben finden wir in der Darstellung wieder. Die Kasel ist rot, Buch, Abt, Stab und Heiligenschein sind golden gehalten.
Die als Schöffen bezeichneten Vorsteher der Neumark benutzten im Mittelalter und in der Neuzeit ein gesondertes Wappen. Die Vorstadt war eine Gründung der Herzogs. Dies zeigte sich auch im Siegel: ein aufrechter Löwe, den wir heute noch an den Grundstücken Braunschweiger Straße 23/24 und 32 (das Stadthaus der Neumark) in dieser Form finden können. Mitunter war neben dem Löwen mit einem Helm ein weiteres Symbol angebracht. Ludewig int dagegen in dem Buch „Geschichte und Beschreibung der Stadt Helmstedt, 1821“, wenn er schreibt, dass 1490 bei der Übergabe der Stadthoheit vom Abt an den Herzog in Wolfenbüttel von jenem die „Löffel“ aus dem Wappen entfernt und dafür Helm und Löwe hineingesetzt worden seien. Dies ist, wie ich bereits feststellte, nicht geschehen. Allerdings sind die gekreuzten Abtstäbe auf Pfennigen, die hier in Helmstedt geprägt wurden, durch den herzoglichen Löwen und Helm ersetzt worden.[2]
In der NS-Zeit sollte 1938 der Heilige entthront werden. Für den Ausbau eines Kameradschafts- und Führersaales im Hause der Gauleitung in Hannover hatte Helmstedt wie auch andere Städte des Gaues einen Stuhl zu stiften. In die Rückenlehne sollte das Stadtwappen eingelegt werden. Der Betrag von 70 Mark wurde, „obwohl die Haushaltslage der Stadt Helmstedt jede Sonderausgabe verbietet“, zwar überwiesen, ein solcher Stuhl aber nie hergestellt, denn ein Wappen mit einem Heiligen fand bei der hohen Parteileitung keinerlei Anklang. „Vielleicht findet sich auch für Helmstedt ein Symbol, das besser der heutigen Zeit entspricht, als das jetzt vorhandene Wappen.“ So kam man in Helmstedt auf das Juleum als Motiv für ein neues städtisches Siegel und Wappen. Dr. Hermann Kleinau, seinerzeit Direktor des Braunschweigischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, widersprach der Verwendung eines Gebäudes als Wappen. „Damit würde man der jahrhundertealten Tradition der Stadt, die ihre Wurzeln auch aus der Zeit vor der Universitätsgründung bezieht, nicht gerecht werden.“ Der Krieg verhinderte eine Durchführung dieses Planes, selbst Ministerpräsident Dietrich Klagges riet dem Bürgermeister, das alte Wappenbild nicht aufzugeben. So erwies sich der Heilige auch noch nach vielen Jahrhunderten stärker als die Ideen der damaligen Machthaber.
Helmstedter Begräbnisplätze (S. 547–554)
Wenn in diesem Buch versucht wird, das Leben der Helmstedter in den vergangenen Jahrhunderten zu beschreiben, so sollen die Plätze nicht unerwähnt bleiben, an denen jeder, der hier gelebt hat, nach einem oft mühevollen Dasein seine letzte Ruhe gefunden hat.
Das älteste Denkmal dieser Art sind – vor den Toren der Stadt deutlich sichtbar – die Lübbensteine auf dem St. Annen- oder auch – 1501 erstmals so genannt – Corneliusberg. Namensgeber war demnach nicht der 1621 in Helmstedt verstorbene bekannte Professor Cornelius Martini, sondern wahrscheinlich der als Märtyrer in die Kirchengeschichte eingegangene Papst Cornelius, gestorben 1253, der Heilige für Hirten und Tiere. In unmittelbarer Nähe am Pfingstberg wurde in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts dank der Aufmerksamkeit des Studienrates Siebers, der sich um die Aufhellung der vorgeschichtlichen Zeit im Bereich Helmstedt große Verdienste erworben hat, ein heidnischer Urnenfriedhof aus vor-, aber auch aus nachchristlicher Zeit (3. bis 5. Jahrhundert nach Christi Geburt) freigelegt. Gräber aus früherer Zeit wurden oftmals bei der Anlegung von Tagebauen durch die BKB gefunden.
Als man begann, feste Kirchen zu errichten, legte man um sie herum einen freien Platz an, auf dem die Toten ihre letzte Ruhestätte fanden. Sie waren somit der Kirche und den Gemeindemitgliedern, die bei ihren Kirchengängen an ihnen vorübergehen mussten, nah. So blieben die Lebenden mit den Toten eng verbunden.
Im Bereich der ummauerten Stadt Helmstedt gab es zwei Begräbnisplätze: den um St. Stephani und einen weiteren um St. Walpurgis. Der größere der beiden war der bei der Stephani-Kirche. Er wurde bereits im 17. Jahrhundert zu klein. 1702 heißt es, „dass für die Toten fast keine Stelle mehr übrig sei“. Deshalb wurde der Friedhof um den Organistengarten – das darauf befindliche Haus wurde abgerissen – zum Süden hin erweitert. Damit war das Problem nur vorübergehend gelöst, denn 1754 verlangte Herzog Carl, einen Gottesacker außerhalb der Stadt anzulegen. Die Stadt war nicht so dafür, sie verzögerte diese Angelegenheit. Deshalb ließ der Herzog 1770 schreiben, „dass diese Sache endlich einmal zustande komme“. Man solle die Begräbnisplätze für beide Gemeinden aus der Stadt herausverlegen. Schon 1755 waren vier Stellen dafür in Vorschlag gebracht worden: der am vormals Spießischen Hause gelegene Wallgarten (Magdeburger Straße), ein Gelände am Schöninger Wege, ein weiteres hinter dem sogenannten Lappenberg (heute Nord/LB) und schließlich das Tanzbleek an der heutigen Gustav-Steinbrecher-Straße.
Eine dieser Stellen, wahrscheinlich die am Lappenberg, war bis 1484 der Judenfriedhof gewesen. Er schied aus, denn „so hat es etwas Bedenkliches, einen Judenkirchhof für christliche Leichen zu nehmen“. Daß die Juden auch früher schon ihren Friedhof als „ewig“ angelegt hatten, störte offenbar nicht. Übrig blieb nach weiterer Prüfung der ca. zwei Morgen große Platz am Tanzbleek. Den bisherigen Kirchhof um St. Stephani wollte man planieren und dann mit Maulbeerbäumen bepflanzen. Die Blätter dieser Büsche sollten die wirtschaftliche Grundlage der vom Herzog gerade in jenen Jahren empfohlenen Seidenraupenzucht werden.
Aber auch gegen die Wahl des Tanzbleeks als Friedhof gab es Bedenken. Einmal würde der Wind aus dem Westen die Dünste in die Stadt hineintragen, zum anderen sei unter diesem Platz Braunkohle, die für das Schöninger Salzwerk benötigt werde. Schließlich müsse in jedem Fall eine Mauer um diesen Platz gezogen werden, was zusätzliche Kosten verursache, denn das Vieh würde gern die toten Körper aus der Erde wühlen bzw., dies trug Bürgermeister Lichtenstein 1754 aus Göttinger Erfahrung bei, sei eine Mauer deshalb nötig, „schon damit die Studiosi Medicini nicht die Cadavera ausgraben“, um dann an den Körpern die Anatomie studieren zu können.
Weil man sich nicht einigen konnte, blieb es dabei, die Plätze vor den beiden Kirchen St. Stephani und St. Walpurgis weiterhin als Begräbnisstätten zu nutzen. Den Bürgern war es sicherlich recht, hatten sie doch ihre toten Angehörigen weiterhin in unmittelbarer Nähe und harrten diese der Auferstehung im räumlichen und im sakralen Bereich der Kirche. Dennoch wurde 1758 schon von dem neuen Kirchhof auf dem Tanzbleek gesprochen. Es sollte aber noch genau 60 lahre dauern, bis er zum ersten Male benutzt wurde und der bisherige Stephani- und auch der Walpurgis-Kirchhof geschlossen wurden.
Die Begräbnisordnung für den neuen Platz am Tanzbleek datiert vom 3. Mai 1818. In ihr heißt es: „Höchster Bestimmung gemäß hört mit dem 30. Junius d. J. das Begraben sowohl auf dem St. Stephans- als Walpurgiskirchhofe auf. Auf dem neuen Kirchhofe werden alle Leichen in Reihe nebeneinander begraben.“
Wenn man auch schon 50 Jahre zuvor die Anschaffung eines besonderen Leichenwagens mit einem Verdeck erwogen hatte, so brauchte man ihn nun wegen der größeren Entfernung unbedingt. Es wurden gleich zwei angeschafft, wobei mit der Beerdigung auf dem neuen Friedhof die weitere Besonderheit, dass nämlich der Pfarrer die Leiche vom Wohnhaus aus begleiten und Bekannte und Schüler dabei singen durften (das sogenannte Hinsingen), endete. Allerdings, so die Satzung, falls es dennoch ausdrücklich verlangt werde, so könne dies, jedoch nur bis zum Stadttor, weiterhin erfolgen. Beerdigt wurde weiterhin aus den Häusern heraus, d. h., der Leichnam blieb dort bis zum Tage des Begräbnisses aufgebahrt.
Die bisherigen Begräbnisarten wurden auf vier Klassen reduziert. In der ersten Klasse wurde der Leichenwagen mit vier schwarz behängten Pferden bespannt. Der Wagen wurde mit einem Baldachin versehen, die beiden Kirchenglocken läuteten in drei Pulsen. Außerdem wurde des Verstorbenen an dem nächsten Sonntag in seiner Kirche gedacht.
Die Beerdigungen der zweiten Klasse erfolgten auf dem zweiten Leichenwagen, offenbar ohne Baldachin. Hier wurde in zwei Pulsen mit beiden Glocken geläutet, ansonsten war alles wie bei der ersten Klasse.
Auch bei einem Begräbnis dritter Klasse wurde der zweite Wagen benutzt, er war aber im Gegensatz zu den anderen Klassen nur mit zwei Pferden bespannt.
Bei der vierten Klasse wurde nur auf Verlangen geläutet und dann auch nur mit einer Glocke.
Im übrigen gab es verschiedene Beerdigungszeiten: Tote der ersten Klasse wurden morgens früh, die der zweiten etwas später, die der dritten und vierten mittags bzw. gegen Abend zur letzten Ruhe gebettet.
Die Beerdigungen für Bewohner aus dem Ostendorf erfolgten weiter auf dem Kirchhof St. Ludgeri. Hier bedurfte es wegen der Nähe des Platzes zu den Häusern keines Wagens.
Die Kosten einer Beerdigung betrugen laut einer Aufstellung von 1839 in der ersten Klasse ca. 70 bis 80 Taler einschließlich Sarg, in der zweiten 40 bis 50, in der dritten 20 bis 30 und in der vierten 10 bis 15. Wahrscheinlich entfiel bei den beiden letzten Klassen der Sarg, deshalb auch die Befürchtung, Tiere würden den Leichnam aus der Erde wühlen. In der Vorstadt Neumark waren die Kosten allerdings geringer, bei den Katholiken waren sie ganz unbedeutend. Sie bestanden dort hauptsächlich aus der Bewirtung der Träger. Träger waren Freunde, Bekannte, Nachbarn, bei verstorbenen Handwerksgesellen waren es stets die Nebengesellen.
Am 2. Juli 1818 fand auf dem neuen Friedhof (unserem heutigen „Alten Friedhof" an der Gustav-Steinbrecher-Straße in der Nähe der Lademann-Realschule) die erste Beerdigung statt[3].
Mitte des vergangenen Jahrhunderts war dieser Platz leider schon wieder zu klein geworden. Er wurde 1848 zwar um vier Gartengrundstücke erweitert, aber 1872 wandte sich der Bürgerverein an den Magistrat und beantragte dringend eine Erweiterung des Platzes auf dem Tanzbleek. Der lehnte ab, da dies wegen der Lage und der unregelmäßigen Form nicht zweckmäßig sei. Beabsichtigt sei jedoch, einen Teil eines 60 Morgen großen und zum Kloster Ludgeri gehörenden Grundstücks an der Magdeburger Straße hinter der sogenannten Gennertschen Zuckerraffinerie zu erwerben. Dies geschah dann schon 1872/1873. Es wurden 10 Morgen angekauft. Am 9. September 1872 fand dort, auf unserem heutigen Stephani-Friedhof, die erste Beisetzung statt. Der alte Friedhof wurde um die Jahrhundertwende Park.
Bereits 1873 wurde auf dem Gelände ein sogenanntes Leichenhaus errichtet „zum Aufbewahren der Gerätschaften des Totengräbers, zur Niederlegung von armen Verunglückten sowie bei etwa ausbrechenden Epidemien als Aufbewahrungsort für Leichen bis zur Beerdigung“.
Sehr wahrscheinlich wurde für den Bau des Leichenhauses der von dem Kreisbaumeister Vibrans gezeichnete Riss zugrunde gelegt. Nach dieser Zeichnung war das Gebäude 8,16 m lang und 5,06 m breit, es hatte einen größeren Raum von ca. 26 m² und einen kleineren von 10 m² für die Geräte. Die Baukosten betrugen 570 Taler. Es stand am Platz des heutigen Blumenrondells, das man erreicht, wenn man den Friedhof durch die erste Pforte betritt. Sie stammt im übrigen aus dem Jahre 1888.
Das Leichenhaus diente auch der Aufbahrung der Verstorbenen, deren Angehörige in ihren Räumen so beschränkt waren, dass sie den Toten nicht „von den Überlebenden vollständig trennen können“. Gebracht wurden die Toten von den Angehörigen selbst oder vom Totengräber gewöhnlich nach 10:00 Uhr abends. Auf Wunsch hielt gegen Bezahlung der Totengräber für die Nacht vor dem Begräbnis die Totenwache. Wurde jemand ohne Totenschein in die Leichenhalle gebracht, so war eine Wache unabdingbar, bis der Tod bescheinigt werden konnte. Gerade in jenen Jahren hatte man viel von Scheintoten gelesen und gehört.
1913 wurde die neue Friedhofskapelle nach einem Entwurf des Professors Dr. Pfeiffer von der Technischen Hochschule Braunschweig gebaut. Die Alte war zu klein geworden, denn man war nun dazu übergegangen, nicht von den Häusern, sondern von der Kapelle aus die Beerdigung vorzunehmen. Als Ort der Trauerfeier erhielt sie einen kirchlichen Stil mit einem Türmchen mit Glocke. Die Kosten betrugen 26.064 Mark, sie überschritten den Kostenvoranschlag nur um 64 Mark.
Aus Anlass der Erbauung der neuen Kapelle erschien in der Helmstedter Zeitung die folgende Bekanntmachung:
- „Die neu erbaute Kapelle auf dem St. Stephani Friedhofe ist fertiggestellt und wird hiermit allen Einwohnern der Stadt zur Benutzung übergeben. Zur Besichtigung ihrer Inneneinrichtung wird sie am Sonntag, dem 1. Juni, und am Sonntag, dem 8. Juni, von morgens 11:00 Uhr bis abends 6:00 Uhr geöffnet sein.
- Helmstedt, den 29. Mai 1913
- Der Stadtmagistrat Schönemann“
Auch diese Kapelle existiert nicht mehr. Im März 1993 wurde sie abgebrochen, der Neubau im Herbst 1994 eingeweiht.
Der Friedhof wurde von Anfang an von der Kirche verwaltet. Während des letzten Krieges, im September 1941, übernahm ihn zwangsweise die Stadt. Am 1. April 1950 wurde er jedoch in die Verwaltung der Kirche zurückgegeben[3]), Der Grund und Boden gehörte aber weiterhin der Stadt. Grundlage der Entscheidung damals war das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen des Landes Braunschweig vom 23. November 1927. Danach hatte eine Gemeinde die Möglichkeit, einen neuen, dann gemeindeeigenen Friedhof anzulegen, sofern der bisherige belegt war. Durch Vereinbarung mit der Kirchengemeinde konnte auch eine bestehende Begräbnisstätte ohne diese Voraussetzung in die kommunale Verwaltung übergehen.
An den Begräbnisplatz um die Stephani-Kirche erinnern heute noch die Grabplatten, die sich außen an dem Gebäude befinden. Schon bald nach der Schließung hatte man einen Teil des Kirchhofes an den Holzhändler Overlach verpachtet, der daraufhin sein Holz dort lagerte. Das alles zeugt von wenig Pietät gegenüber den Verstorbenen. Die Ehrfurcht vor den Gräbem war aber auch vorher nicht sehr verbreitet. Die Grabstelle des bedeutendsten Chirurgen des 18. Jahrhunderts, Professor Heister, der 1758 in Bornum verstorben war, war schon 1784 kaum auffindbar. Zwei berühmte italienische Wissenschaftler, Anatom Scarpa und Volta, nach dem die Maßeinheit der elektrischen Spannung, Volt, benannt wurde, besuchten Beireis in jenem Jahr und wollten auch die letzte Ruhestätte dieses großen Mediziners sehen. Erst Professor von Crell erinnerte sich der Grabstätte seines Großvaters. Irgendwo fand man dann auch den mit Moos überwachsenen Stein mit der schwer lesbaren Inschrift und damit die letzte Ruhestätte des für die Wissenschaft und für Helmstedt so bedeutenden Mannes[4]). Auch die Grabstelle des nicht minder berühmten Beireis ist unbekannt.
Besser erhalten sind die Erinnerungen an Personen, die den Vorzug hatten, innerhalb der Stephani-Kirche beerdigt zu werden. Wir sehen heute noch in der Kirche die verschiedenen Epitaphe, darunter z. B. das des berühmten Helmstedter Theologen Georg Calixt (Papenberg 21), während dagegen sein auf dem Gebiet der Jurisprudenz und der Medizin ebenso bekannter Kollege Hermann Conring (Ziegenmarkt 7) in der Dorfkirche Groß Twülpstedt – ihm gehörte dort das Gut – in einem Steinsarg seine ewige Ruhe gefunden hat.
Der Helmstedter Theologieprofessor Justus Christoph Boehmer (1670 bis 1732, in Helmstedt von 1698 bis 1727) hat in einem Druck die bis dahin bekannten Grabstätten festgehalten. In der Kirche St. Stephani befanden sich danach 1710 sehr viele Grabmäler, von denen heute noch 43 offenkundig nachgewiesen sind[5]). Auch in der Marienberger Kirche befanden und befinden sich heute noch einige Grabsteine, gegenüber Stephani jedoch weniger. Böhmer hat 25 aufgelistet. Wir finden das Epitaph der Frau des Amtmanns Köhler, verstorben 1711, gleich von an der Südseite, und in der Turmkapelle rechts das der Domina Catharina Ursula Cuno, Tochter eines Helmstedter Bürgermeisters, verstorben am 15. Oktober 1724. Das Epitaph entstammt der Werkstatt des Helmstedter Künstlers Michael Helwig, Kybitzstraße 25. In der linken Turmkapelle hat Hermann von der Hardt, Propst von 1698 bis zu seinem Tode 1746 und zugleich Professor an der Universität, die letzte Ruhe gefunden. An weitere Begräbnisse in alter Zeit erinnern die Epitaphe im Kreuzgang, und bis in unsere Zeit hinein wird für die Klosterbewohner der Innenhof als Begräbnisstätte genutzt. Für St. Walpurgis sind auch über 1710 hinaus insgesamt 28 Begräbnisse in der Kirche, zum Teil in einem Gewölbe, festgestellt.
Aber nicht immer sicherte das Begräbnis in einer Kirche die Erinnerung auf ewig. In der Collegienkirche am Markt/Ecke Neumärker Straße haben mindestens 35 Beisetzungen stattgefunden. Studenten, Professoren wie auch deren Angehörige liegen dort begraben. Die erste Beerdigung fand 1705, die letzte am 24. April 1808 statt. Der Universitätsquästor Ludwig Julius Urban Franckenfeld wurde am 30. Mai 1776 in einem Gewölbe in der Universitätskirche beigesetzt - NSAW 1 Kb 609, S. 464. Mit Schließung der Universität verlor diese Kirche ihre eigentliche Aufgabe. Die Orgel soll 1810 in die Kirche St. Marienberg, das Gestühl in das Juleum und die Glocke in das Landesmuseum nach Braunschweig gekommen sein. Die Gruft mit den 35 Helmstedter Universitätsangehörigen wurde zugeworfen. Aus einer Akte aus dem vorigen Jahrhundert konnte ich ersehen, dass sich jemand darüber beschwerte, dass Arbeiter sich gegenseitig mit den Schädeln der dort Bestatteten bewarfen.
Der größte Friedhof außerhalb der eigentlichen Stadtmauern war der der Neumark um Kirche und Kloster St. Marienberg. Noch vor einigen Jahrzehnten konnte man dort einige Grabstellen an den Eisenkreuzen erkennen. Erhalten geblieben ist nur noch das der Christiane Louise Weigel am Eingang des Kirchhofs. Das Kreuz ist ziemlich verwittert, der Name ist noch lesbar, das Todesjahr, 1864, ist nur noch aus den Akten zu ermitteln. Auf der Rückseite kann man den Satz: „Sanft ruhe ihre Asche“ gerade noch entziffern.
Dagegen sind von unserem „Alten Friedhof“ an der Gustav-Steinbrecher-Straße sämtliche Grabmonumente verschwunden. Noch im letzten Weltkrieg erinnerte mancher Stein an die eigentliche Nutzung dieser Anlage. Mit dem Einzug der Amerikaner wurde der „Alte Friedhof“ Abstell- und Übungsplatz für Panzer und Lkw. Er wurde uns in einem verwüsteten Zustand zurückgegeben. Seitdem gibt es dort keine Erinnerung mehr an die Toten des vorigen Jahrhunderts.
1871 war der Friedhof um die Marienberger Kirche nahezu belegt, obwohl man ihn 1847 noch einmal hatte erweitern können. Es kam 1872 zu einem Ankauf von zwei Morgen Land am Pastorenweg „Auf der Klappe". 1873 gab es dort die erste Beerdigung, auch die erste Leichenhalle wurde in jenem Jahr für 215 Taler errichtet. 1896 kaufte die Stadt weitere vier Morgen, nunmehr rechts vom Pastorenweg an, obwohl Probebohrungen ergeben hatten, dass in den Gruben Wasser stand. 1929 hatte die alte Friedhofskapelle ausgedient, eine neue und heute noch bestehende wurde gebaut[6]).
Der Friedhof der katholischen St.-Ludgeri-Gemeinde befand sich ebenfalls unmittelbar an der Kirche. Hier wurde bis 1838 beerdigt. Damals zählte die Gemeinde etwa 250 Seelen, heute sind es 4.000. Dann wich man auf ein Gartengrundstück Ecke Magdeburger Tor/Harbker Weg aus. Am 20. Mai 1838 war dort die erste Beerdigung. 1888 war dieser Friedhof nahezu belegt. Zunächst beabsichtigte man deshalb, das Gelände zwischen dem Magdeburger Tor und dem Tangermühlenweg gegenüber dem heutigen Arbeitsamt anzukaufen. Schließlich entschied man sich für ein Gelände unmittelbar am Stephani-Friedhof. Der katholischen Kirchengemeinde wurde deshalb eine Fläche von einem Morgen dort überlassen, wo sich heute noch ihr Friedhof befindet. Auf der alten Stätte am Harbker Weg befindet sich heute ein katholischer Kindergarten.
Ein weiterer, aber schon seit 100 Jahren nicht mehr benutzter Friedhof befand sich an der heutigen Juliusstraße auf dem freien Gelände zum Batteriewall hin. Er diente den Bewohnern des Georgienhofes als Begräbnisstelle. Die vielen Helmstedtern noch unter dem Namen Jürgenhof bekannten Gebäude wurden im Dezember 1968 abgerissen. Sie standen an der Südseite des Harsleber Tores. Ursprünglich war dieser Hof ein Spital, in dem Aussätzige, also Menschen mit einer ansteckenden Krankheit lebten. Zu dem Bereich gehörte auch die Georgskapelle Neumärker Straße/Juliusstraße (heute Juweliergeschäft).
Der Hof wurde im 18. Jahrhundert der zur Stadt gehörenden Armenverwaltung übergeben. Die ihm weiterhin zustehenden Einkünfte, wie z. B. Zinsen aus Kapitalien und Pachtgelder, kamen damit in die Armenkasse. Nachdem es kein Hospital mehr war, wurden die Wohnungen an Familien auf Lebenszeit gegen ein geringes Entgelt – zuletzt 100 Taler – vermietet.
Diese sogenannten Hospitaliten hatten das Recht, im Garten des Hospitals beerdigt zu werden. Das war der im vorstehenden Absatz genannte Friedhof. Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die Wohnungen ohne Sonderrechte vermietet. Aber auch diese Mieter wollten nicht auf Marienberg beerdigt werden. Dem schloss sich der dortige Pfarrer du Roi an. Der Magistrat der Stadt widersprach jedoch diesem Begehren, das Konsistorium schloss sich dem durch Entscheidung vom 20. August 1861 an. So war diese Begräbnisstelle nur noch für die letzten drei Hospitaliten geöffnet. Mit deren Ableben konnte sie endgültig geschlossen werden.
Kommen wir zum vorletzten Begräbnisplatz: dem der Juden in Helmstedt.
Im Mittelalter beerdigten die Juden ihre Angehörigen in der Nähe des Lappenberges (auf dem Gelände der heutigen Post und Nord/LB). Mit dem erkauften Abzug der Glaubensjuden, die letzte Familie verließ 1485 Helmstedt, hatte dieser Friedhof keine Bedeutung mehr. Er verfiel. Erst in der Franzosenzeit, Anfang des vorigen Jahrhunderts, durften sich Juden wieder in Helmstedt ansiedeln. So gab es 1812 eine israelitische Gemeinde. Deren Vorsteher, der Geldwechsler Moritz Lehmann, wandte sich an den Magistrat und bat um Überlassung einer eigenen Begräbnisstätte am sogenannten Schwarzen Berge an der heutigen Emmerstedter Straße. Wahrscheinlich wurde dieser Vorschlag nach Absprache mit der Stadt gemacht, denn der Platz auf dem Gelände der heutigen Hellac lag weit draußen und bestand nur aus Sand und Heide. Die jüdische Gemeinde erhielt 1813 diese Stelle zugewiesen. Von dieser Zeit an fanden dort auch Juden aus der Umgebung ihre letzte Ruhe, so z. B. 1821 ein Kind aus Weferlingen, weil es in diesem Ort keinen jüdischen Friedhof gab.
1873 will die jüdische Gemeinde ihren Platz einfriedigen. Ihr Vorsteher, der Kaufmann Friede, Papenberg 1, erbittet von der Stadt 400 Taler als Zuschuss für den Bau einer Mauer. Es stellt sich aber heraus, dass diese zu teuer wäre. Man verhandelt deshalb wegen eines anderen Platzes, der von vornherein entsprechend geschützt und der auch so beschaffen ist, dass zum Schmücken der Gräber Blumen mit Erfolg angepflanzt werden können. So bekommt die jüdische Gemeinde an der Magdeburger Straße einen neuen Friedhof, auf dem 1892 mit dem Begräbnis des Herrn Friede die erste Beerdigung stattfindet.
Was aber sollte mit dem alten Friedhof am Schwarzen Berge werden? Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde war bereit, ihn der Stadt zu überlassen. Das aber stieß auf den Protest des Landesrabbiners Dr. Rulf aus Braunschweig, denn die Veräußerung eines jüdischen Begräbnisplatzes sei durch Gesetz und Herkommen streng untersagt. Der Rabbi verwies auf die Stätten, die über Jahrhunderte hinaus, so z. B. der alte Friedhof in Prag, der in Berlin sogar an einer verkehrsreichen Straße, erhalten geblieben sind und weiter erhalten werden. Er hätte auch den in Worms nennen können.
So wurde über den nicht belegten und damit allerdings auch größten Teil des ca. zwei Morgen großen Geländes verhandelt. Interessiert am Erwerb war die Helmstedter Glas- und Flaschenfabrik, denn der verlassene jüdische Friedhof lag unmittelbar hinter ihrer Fabrikationsstätte. Das Unternehmen brauchte Sand zur Herstellung seiner Produkte. Die Verkaufsverhandlungen wurden bald abgebrochen. 1905 wurden sie erneut aufgenommen. Gesprochen werden konnte aber nur noch mit dem Dr. Rulf aus Braunschweig, denn um diese Zeit gab es eine jüdische Gemeinde in Helmstedt nicht mehr. Nun konnte man aber den genutzten Teil des Friedhofes nicht mehr erkennen, denn inzwischen waren alle Gräber verfallen und von der Natur eingeebnet. Man ließ folglich die Angelegenheit auf sich beruhen.
Es kam der Erste Weltkrieg. Die Produktion – auch von Glas – hatte gegenüber der Pietät Vorrang. Die Glashütte beutete das Gelände einfach aus. Der Friedhof verschwand. 1938 wurde die Sache wieder aufgegriffen. Eine jüdische Gemeinde gab es in Helmstedt weiterhin nicht. Das Grundstück „Am Schinderkamp“ - in dieser Flur lag der Friedhof - wurde öffentlich aufgeboten und schließlich die Stadt Helmstedt im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Sehr wahrscheinlich gehört es heute noch der Stadt, denn 1943 erging die Verfügung, dass, da das Volkswagenwerk wegen des reichen Sandvorkommens Wert auf diese Grundstücke legt, es nicht anderweitig, allenfalls nur an dieses Unternehmen verkauft werden dürfe.
Auch um die Walpurgiskirche herum wurde beerdigt. Nach Paul Jonas Meier besaß die Kirche die Taufgerechtigkeit „trotz des in ihr befindlichen Taufsteins nicht, dagegen besaß sie noch im XVIII. Jahrh. Begräbnisrecht“[7]). Äußerlich erkennbar ist dies durch den großen Grasplatz um die Kirche herum und durch den an der Außenwand (zur Walpurgisstraße hin) angebrachten Grabstein der Marie Catharine Cherubim geb. Calixt, gestorben am 18. Dezember 1706, Ehefrau des Zweiten Bürgermeisters Martin Albert Cherubim. Vor diesem Epitaph liegen weiter zwei Steinsärge bzw. deren Abdeckungen.
Aber auch innerhalb der Kirche befinden sich Gräber. Robert Schaper hat in einer privaten Aufzeichnung allein 28 aufgelistet. Nicht dort, aber auf dem eigentlichen Kirchhof kam auch mancher zur letzten Ruhe, der unverschuldet tödliches Opfer einer strafbaren Handlung geworden war. So wurde am 1. Mai 1636 Christoph Müller auf dem Walpurgis-Kirchhof begraben. Ihn hatten, es war im Dreißigjährigen Krieg, „zwei Soldaten gehauen und gestochen, das er also bald tot bleiben und folgend dienstags am 3. Mai auf St. Walpurgis Kirchof begraben“ (so das Kirchenbuch). Am 9. Februar 1644 wurde dort ein Henning auf dem Löwenbleek in der Neumark (heute Braunschweiger Straße 32, Herberge zur Heimat) so auf den Kopf geschlagen, dass er tödlich verletzt wurde. Wenige Wochen später wurde vor dem „Lüderschen Thor" (Ludgeritor) Henning Kiene erschlagen und ebenfalls auf St. Walpurgis bestattet. Ein Jahr später war es jemand, der sich „bei dem brauen im heißen Wasser verbrannt“ hatte. Am 25. Februar 1654 wurde ein Kind begraben „bei den alten Fleischscharren, des morgens, funden worden, ist gewesen, eben als es vom Mutterleibe kommen, … von der Rabenmutter hat man nichts erfahren können.“ 1657 brachte eine Mutter ihr nichteheliches Kind dadurch um, dass sie „dem Kinde mit dem Daumen die Kehle eingedrückt“. Die Mutter wurde im Nordertorteich ersäuft und danach anatomiert, das Kind auf St.-Walpurgis beerdigt.
Auch Selbstmörder fanden dort ihre letzte Ruhe, so die Dienstmagd Margaretha. Sie war am 17. Oktober 1674 um 5:00 Uhr morgens in einen Brunnen gesprungen und hatte sich so das Leben genommen. Ihre letzte Ruhe fand sie auf Walpurgis „wobei ein wenig geläutet und gesungen wurde, (aber ohne Beisein eines Predigers)“. „Sine lux sine crux“ (ohne Licht, also bei Dunkelheit, oder ohne Kerzen, ohne Kreuz) wurde am 5. Februar 1652 G. Beseken, Verwalter des Klosters „Unserer Lieben Frauen auf dem Berge“ (Marienberg) „bei der Feldvogtei, außerhalb des Kirchhofes an der Mauer“ beerdigt. Er hatte sich vier Tage vorher in seiner Kammer erschossen. Die Feldvogtei war im Hause Braunschweiger Tor Nr. 4. Es zeigt heute noch über dem Eingang mit dem Pferd das sogenannte kleine herzoglich braunschweigische Wappen des Fürstentums (siehe dazu das Kapitel „Das Helmstedter Stadtwappen“).
Ebenfalls ohne Sang und Klang wurde eine Bedienstete der Universitätsapotheke am 26. Oktober 1679 an der Mauer auf dem St.-Walpurgis-Kirchhof beigesetzt, sie hatte „das Unmuth Ratzenpulver zu sich genommen“ (Rattenpulver). Dass es in diesen bedauerlichen Fällen auch anders gehen konnte, zeigt die Eintragung unter dem 5. März 1697. Die Ehefrau des Daniel Kleiberg hatte ebenfalls Rattenpulver eingenommen und war drei Tage später daran gestorben. „Ist dennoch auf gnädigste Verordnung des Geh. Fürstlich. Consist. auf St. Stephani-Kirchhof nahe der Stadtmauer, bei der Kalkkuhle begraben.“ Beim Leichenbegängnis wurde gesungen: „Erbarm Dich mein“, und in der Kirche wurde eine Trauerpredigt gehalten, die mit dem Segen geschlossen wurde.
Trösten wir uns damit, dass vor Gott alle Menschen gleich sind und dass er auch den Sündern, denen die Kirche auf ihrem letzten Wege den Beistand verweigern zu müssen glaubte, seine Gnade erwiesen haben wird.
Beenden wir dieses von viel Leid handelnde Kapitel mit einem Eintrag in dem evangelischen Kirchenbuch vom Juli 1793: „auf einem Montage ist unerfahrener weise der Pater-Kellner N.N. vom Closter St. Ludgeri des Morgens um 5:00 Uhr, in dem großen Graß Garten eben berührten Closters, auf den Kopf in einen Graben gestürzt, und hat auf diese Art elend sein Leben verloren.“ N.N. heißt, dass der (eigentliche) Name dem Kirchenbuchführer unbekannt geblieben ist.
Einzelnachweise
- ↑ Arnold Rabbow: Braunschweigisches Wappenbuch – Die Wappen der Gemeinden und Ortsteile in den Stadt- und Landkreisen Braunschweig, Gandersheim, Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel, Wolfsburg. Braunschweig 1977, S. 59.
- ↑ Braunschweigisches Jahrbuch. Chronik des Braunschweigischen Geschichtsvereins von Mai 1951 bis März 1952. Band 33. Braunschweig 1952, S. 162.
- ↑ a b Rudolf Kleinert: Friedhof und Bestattung in Helmstedt. Helmstedt 1976, S. 5.
- ↑ Artur Brüggemann: Rund um den Juleumsturm. 2. Auflage. Helmstedt 1983, S. 86.
- ↑ Hans Adolf Schultz: Die Grabmale in braunschweigischen Kirchen – St. Stephani-Kirche in Helmstedt. In: Braunschweigische Heimat. Band 49, 1963, S. 100–108.
- ↑ Rudolf Kleinert: Friedhof und Bestattung in Helmstedt. Helmstedt 1976, S. 11–12.
- ↑ Paul Jonas Meier: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landkreises Helmstedt. Wolfenbüttel 1896, S. 75.