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Helmstedter Braunkohlerevier: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 3. November 2024, 08:39 Uhr

Karte des Helmstedter Reviers

Das Helmstedter Revier (auch Braunschweigisch-Helmstedtisches Braunkohlerevier genannt) ist ein Bergbaurevier südlich der Kreisstadt Helmstedt, in dem salzhaltige Braunkohle (Salzkohle) im Tagebauverfahren abgebaut wurde. Von mehreren Tagebauen war zuletzt noch der Tagebau Schöningen-Süd in Betrieb, in dem die Schöninger Speere entdeckt wurden. Die beiden Flöze haben eine Mächtigkeit von zusammen 32 m. Im August 2016 wurde der Braunkohlebergbau beendet.

Geschichte

Hauptartikel: Braunschweigische Kohlen-Bergwerke

Die Braunkohle in der Helmstedt-Oschersleber Mulde entstand vor 50 bis 60 Millionen Jahren. 1725 wurde bei Frellstedt die erste Kohle entdeckt. 1795 errichtete der Theologiestudent Johann Koch die erste Helmstedter Kohlengrube. Der Kohleabbau erfolgte unter Tage. 1872 verkaufte der Braunschweiger Herzog Wilhelm seine Braunkohlefelder an ein Bankenkonsortium, aus dem die Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG (BKB) entstand. Sie wurde zum größten Bergbaubetrieb in der Region. Sie wurde später von der PreussenElektra, bzw. nach deren Fusion mit dem Bayernwerk von E.ON übernommen. Ende 2013 spaltete E.ON das Unternehmen, bestehend aus dem Kraftwerk und dem Tagebau Schöningen, ab und verkaufte es an die MIBRAG, die das Unternehmen unter dem Namen Helmstedter Revier GmbH als 100-prozentige Tochter führt.[1]

Das Revier liegt teilweise in Niedersachsen, teilweise in Sachsen-Anhalt (Landkreis Börde). Die Lage an der ehemaligen innerdeutschen Grenze hat in den Jahren der deutsch-deutschen Teilung auch die Geschichte des Reviers entscheidend geprägt und die Auskohlung verzögert.

Am 30. August 2016 wurde die letzte Kohle im Helmstedter Braunkohlerevier gefördert.[2]

Tagebaue

1874 wurde mit Trendelbusch der erste Tagebau in Betrieb genommen. Die Tagebaue und die dazugehörigen Kraftwerke wurden von der BKB betrieben. Von den verschiedenen Tagebauen ist heute nur noch der Tagebau Schöningen in Betrieb, der das 1985 ans Netz gegangene Kraftwerk Buschhaus versorgt. Im Gebiet dieser Tagebaue befanden sich folgende Ortschaften, welche für den Tagebau abgerissen wurden: Alt-Büddenstedt (dafür erfolgte die Neugründung von Neu-Büddenstedt), Alversdorf, Runstedt und Wulfersdorf.

Tagebau Beginn Ende Status Lage / Ortschaft Land Förderung (Mio. t)
Trendelbusch 1874 1916 Stillgelegt, verfüllt 52.19650710.980492 nördlich Kraftwerk Buschhaus Niedersachsen 6,5
Treue 1881 1993 Stillgelegt, verfüllt 52.17945810.983152 nördlich Kraftwerk Buschhaus Niedersachsen 257
Viktoria 1902 1963 Stillgelegt, geflutet („Viktoriasee“) 52.12698111.030617 nordöstlich Hötensleben Sachsen-Anhalt 22,1
Harbke 1922 1926 Stillgelegt, wurde Teil des Tagebau Wulfersdorf 52.18540511.032248 westlich Harbke Sachsen-Anhalt 2,3
Anna (Nord/Süd) 1922 1935 Stillgelegt, geflutet („Anna-See Nord/Süd“) 52.15366211.053705 nordöstlich Offleben Niedersachsen/Sachsen-Anhalt 9
Jakobsgrube 1926 1931 Stillgelegt, geflutet („Athenslebener Seen“) südwestlich Athensleben Sachsen-Anhalt 0,4
Wulfersdorf 1936 1952 Stillgelegt, teilweise verkippt, Rest wird geflutet („Lappwaldsee“) 52.16935211.034651 östlich Neu-Büddenstedt Sachsen-Anhalt 26,7
Alversdorf 1962 1991 Stillgelegt, verfüllt 52.14649911.013451 westlich Offleben Niedersachsen 46,3
Helmstedt 1973 2002 Stillgelegt, wird bis 2030 geflutet („Lappwaldsee“) 52.20487211.014996 südlich Helmstedt Niedersachsen 37
Schöningen (Nord/Süd) 1978 2016[3] Nordfeld ausgekohlt, Südfeld stillgelegt 52.14065310.992508 östlich Schöningen Niedersachsen 57

Verlorene Orte

Mit der zunehmenden Industrialisierung der Region verloren die Ortschaften ihren ländlichen Charakter. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft etablierte man große Fabrikanlagen, die Aussicht auf einen Arbeitsplatz im Bergbau lockte viele neue Bewohner an und ließ die Gemeinden stark anwachsen. Arbeitersiedlungen wurden gebaut, „Kohledörfer“ entstanden. Die BKB kaufte systematisch alle landwirtschaftlichen Betriebe auf und ließ Arbeiterunterkünfte errichten, wie in Schöningen und im „Forstort Buschhaus“ westlich von Büddenstedt. Doch während sich viele Orte vergrößerten oder neu bildeten, mussten andere der Kohlegewinnung weichen. Bereits 1935 stand fest, dass Büddenstedt vom Tagebau Treue überbaggert werden würde. Von diesem Zeitpunkt an wurde einen Kilometer ostwärts die Bergmannssiedlung Neu-Büddenstedt auf kohlefreiem Untergrund als Ersatz für den alten Ort errichtet. Die britische Militärregierung ordnete im September 1946 die weitgehende Räumung des Dorfes an. Büddenstedt wurde abgerissen, die Entwicklung des Tagebaufeldes III des Tagebaus Treue, der mehr als einen Kilometer breit und über 100 Meter tief war, konnte weitergehen. Fast zeitgleich ereilte Wulfersdorf ein ähnliches Schicksal. Bereits 1919 mussten erste Landwirtschaftsbetriebe, die hier Weizen und Zuckerrüben kultivierten, dem gleichnamigen Tagebau weichen. 1937 hatte die BKB alle Grundstücke des Dorfes aufgekauft. 1942 wurde Wulfersdorf, Verlorene Orte das zuletzt noch 100 Einwohner zählte, überbaggert. Runstedt, südwestlich von Helmstedt gelegen, wurde zwischen 1961 und 1968 abgebrochen. Das Schicksal des Ortes dokumentiert der 1964 gedrehte Film „Runstedt – Dorf auf Kohle“. Im Sommer desselben Jahres fand der letzte Gottesdienst in der Runstedter Kirche statt. Kurz darauf wurde sie abgerissen. Mit dem Abbruch der Mühle im Jahr 1972 verschwand das letzte Gebäude von Runstedt. Die Siedlung Trendelbusch, ca. einen Kilometer südöstlich von Runstedt gelegen, musste in den 1960er Jahren ebenfalls dem Tagebau Treue weichen. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre existierten Planungen, den Ort Alversdorf abzureißen, der sich im Gebiet des Tagebaus Viktoria befand. Ab 1943/44 war die Errichtung neuer massiver Gebäude verboten. Der Aufschluss des Tagebaus Alversdorf 1962 besiegelte das Ende der Gemeinde. 1966 begann der Abriss des Dorfes, der sich bis 1974 hinzog. Die letzten verbliebenen 324 Einwohner wurden nach Schöningen umgesiedelt. Auch Straßen, Bahnlinien und Wasserläufe fielen dem Bergbau zum Opfer. Insgesamt 11 Straßen mit rund 25 Kilometern Länge wurden zwischen 1925 und 1984 gekappt oder verlegt. Außerdem mussten 8 Kilometer Bahnlinie in den Jahren 1942 und 1972 und insgesamt 15 Vorfluter mit einer Gesamtlänge von 30 Kilometern zwischen 1900 und 1984 verlegt werden.

Ort Jahr betroffene

Einwohner

Büddenstedt 1935–1947 1.600
Wulfersdorf 1942 100
Runstedt inkl. Trendelbusch 1961–1968 1.300
Alversdorf 1966–1974 800
Schöningen (Siedlung Büddenstedter Str.) 1980–1984 400
Gesamt: 1935–1984 4.200

Tiefbaue

An den Rändern der Lagerstätte im Helmstedter Revier reicht die Braunkohle teilweise bis dicht unter die Erdoberfläche. Der Hauptteil der Flöze liegt jedoch bedeutend tiefer. So fallen sie zur Muldenmitte hin bis auf eine Tiefe von rund 350 Metern ab. In der oberen Flözgruppe befinden sich die Flöze Treue und Viktoria mit Mächtigkeiten von rund 25 bzw. 12 Metern. Sie reichen bis zu 130 Meter hinab, weshalb in der Anfangszeit mit den damals vorhandenen technischen Möglichkeiten die Kohle zunächst nur im Tiefbau gefördert werden konnte.

Zwischen 1820 und 1925 sind über 50 Millionen Tonnen Kohle im Tiefbau gewonnen worden.

Name Beginn Ende Förderung in Mio. t1
Treue 1821 1881 0,462
Prinz Wilhelm 1821 1925 12,813
Trendelbusch 1861 1875 0,184
Emma 1866 1924 0,875
Friederike 1820 1924 0,366
Gesamt: 1820 1925 14,68

1 nur Förderung als BKB-Betrieb bekannt.

2 von 1873 bis 1881.

3 von 1873 bis 1925.

4 von 1873 bis 1875.

5 von 1914 bis 1924.

6 von 1922 bis 1924.

Kraftwerke

Kraftwerk Offleben (1985). Das größte Kraftwerk im Helmstedter Revier.

1908 wurde mit dem Kraftwerk Treue das erste Kraftwerk in Betrieb genommen. Die Kraftwerke wurden mit der Ausnahme des Kraftwerks Harbke von 1952 bis 1990 von der BKB betrieben. Mit dem Kraftwerk Buschhaus wurde am 30. September 2020 das letzte Kraftwerk endgültig stillgelegt, nachdem es schon am 01. Oktober. 2016 in die Sicherheitsbereitschaft überführt wurde.

Kraftwerk von bis Status eingespeiste Energie (MWh)
Treue 1908 1974 stillgelegt, abgerissen 3.598.00
Harbke 1910 1990 stillgelegt, teilweise abgerissen 14.168.000 (1910-1952)
Schöningen 1913 1965 stillgelegt, abgerissen 677.000
Offleben 1954 2002 stillgelegt, bis 2011 abgerissen 126.000.000
Buschhaus 1985 2020 stillgelegt 58.705.000
Gesamt: 1908 2020 199.909.800

Brikettfabriken

1880 wurde Brikettfabrik Viktoria als erste Brikettfabrik in Betrieb genommen. Die Brikettfabriken wurden größtenteils von der BKB betrieben die ab 1929 alle Brikettfabriken im Besitz hatte. 1952 verlor sie allerdings die Brikettfabrik Bismarck durch die Grenzschließung der DDR. Die Brikettfabrik Bismarck wurde ab 1952 unter dem Namen Brikettfabrik Völpke durch VEB Gustav Sobottka weiter betrieben. Diese war auch die letzte Brikettfabrik im Helmstedter Revier die 1988 stillgelegt wurde.

Fabrik Laufzeit von bis Status Briketterzeugung (Mio. t)
Treue I 1887 1924 stillgelegt, abgerissen 1,9
Treue II 1900 1923 stillgelegt, abgerissen 2,0
Treue IV 1901 1973 stillgelegt, abgerissen 48,5
Treue Gesamt 1887 1973 52,4
Trendelbusch 1894 1959 stillgelegt, abgerissen 5,09
Viktoria 1880 1922 stillgelegt, abgerissen 1,66 (1906-1922)
Harbke 1910 1930 stillgelegt, abgerissen 0,83 (1922-1930)
Jacobsgrube 1929 1931 stillgelegt, abgerissen 0,04
Bismarck 1898 1988 stillgelegt, abgerissen 4,18 (1922-1951)
Gesamt: 1880 1988 64,2

Schwelwerk Offleben

Das Schwelwerk Offleben

Das Schwelwerk Offleben im Helmstedter Revier war von 1936 bis 1967 aktiv. Es wurde primär zur Herstellung von Schwelteer, Schwelkoks, Schwelga] und Rohbenzin verwendet. Ab 1947 kam Heizöl und ab 1950 kam Rohphenol dazu.

Produktion des Schwelwerks Offleben:
Jahr Schwelkoks in t Schwelteer in t Heizöl in t

(Mittelöl)7

Rohbenzin in t

(Leichtöl)

Rohphenol Schwelgas in 1000m³
Gesamterzeug.8 Überschussgas9
1936 8.533 14.381 - 2.861 - 52.000 27.800
1937 483.975 82.060 - 11.173 - 334.000 209.600
1938 508.220 79.545 - 12.710 - 316.000 187.400
1939 597.440 93.035 - 16.647 - 355.000 206.930
1940 572.760 94.295 - 18.383 - 340.000 198.500
1941 564.980 96.140 - 19.342 - 356.000 201.150
1942 615.410 100.390 - 19.382 - 363.000 209.300
1943 631.120 100.155 - 19.685 - 369.000 210.400
1944 571.800 80.530 - 16.350 - 333.000 194.000
1945 185.800 29.055 - 5.398 - 103.000 60.000
1946 250.510 37.303 - 7.123 - 144.000 84.000
1947 272.200 34.396 6.611 8.224 - 185.000 116.999
1948 372.450 41.700 11.560 11.461 - 208.000 120.994
1949 508.450 56.400 14.855 15.108 - 288.000 171.053
1950 575.850 56.740 18.835 17.329 1.700 315.000 188.224
1951 581.050 63.500 18.988 17.251 2.313 342.000 210.271
1952 589.500 66.650 14.950 18.280 2.315 344.000 212.923
1953 616.500 62.460 17.464 16.495 2.344 335.000 202.365
1954 605.500 61.690 18.953 15.703 2.898 341.165 207.099
1955 620.500 62.352 15.998 17.608 3.351 356.018 217.997
1956 585.400 59.880 16.617 19.051 3.292 351.941 218.572
1957 578.000 60.077 16.643 18.653 4.213 347.601 215.753
1958 596.750 56.730 17.401 18.119 4.287 346.897 213.581
1959 595.000 60.244 17.255 18.529 4.425 366.404 257.122
1960 602.000 61.124 17.600 18.973 3.278 399.132 292.515
1961 601.000 59.060 16.870 19.213 3.544 433.755 324.613
1962 600.000 59.000 17.500 15.083 5.073 420.583 314.385
1963 600.000 61.600 16.076 15.446 5.314 442.134 333.729
1964 595.500 60.785 22.340 11.611 4.990 459.854 353.292
1965 578.000 62.730 23.486 8.389 4.320 481.369 374.235
1966 542.500 53.650 21.102 9.672 4.253 454.202 355.474
1967 393.620 36.529 14.405 7.839 2.967 282.636 213.382
Gesamt: 16.600.318 2.004.186 355.509 467.091 64.877 10.565.691 6.903.658

7 Von 1936 bis 1946 keine Heizölerzeugung, ist im Teer enthalten.

8 Bis einschließlich 1953 geschätzt.

9 Gesamterzeugung abzüglich Eigenverbrauch.

Literatur

  • Henning Haßmann: Bergbau durch den Zaun – Grabungen mit Blick auf die innerdeutsche Grenze in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 2020/1, S. 23–24. (Online)
  • Werner Vogt, Andrea Dreifke-Pieper: Tagebaue, Tiefbaue, Kraftwerke, Brikettfabriken und Schwelwerk Offleben. In: Die Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG Industriegeschichte des Helmstedter Reviers. München 1999, ISBN 3-430-11487-X, S. 272–273.

Weblinks

Einzelnachweise

Quelle

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