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Helmstedt – die Geschichte einer deutschen Stadt

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Helmstedt – die Geschichte einer deutschen Stadt ist eine Chronik über Helmstedt von Hans-Ehrhard Müller aus dem Jahr 1999. Dieser Artikel hat das Ziel, die gesamte Chronik abzubilden und wird lediglich an die neue Rechtschreibung angepasst.

Helmstedter Begräbnisplätze

Wenn in diesem Buch versucht wird, das Leben der Helmstedter in den vergangenen Jahrhunderten zu beschreiben, so sollen die Plätze nicht unerwähnt bleiben, an denen jeder, der hier gelebt hat, nach einem oft mühevollen Dasein seine letzte Ruhe gefunden hat.

Das älteste Denkmal dieser Art sind – vor den Toren der Stadt deutlich sichtbar – die Lübbensteine auf dem St. Annen- oder auch – 1501 erstmals so genannt – Corneliusberg. Namensgeber war demnach nicht der 1621 in Helmstedt verstorbene bekannte Professor Cornelius Martini, sondern wahrscheinlich der als Märtyrer in die Kirchengeschichte eingegangene Papst Cornelius, gestorben 1253, der Heilige für Hirten und Tiere. In unmittelbarer Nähe am Pfingstberg wurde in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts dank der Aufmerksamkeit des Studienrates Siebers, der sich um die Aufhellung der vorgeschichtlichen Zeit im Bereich Helmstedt große Verdienste erworben hat, ein heidnischer Urnenfriedhof aus vor-, aber auch aus nachchristlicher Zeit (3. bis 5. Jahrhundert nach Christi Geburt) freigelegt. Gräber aus früherer Zeit wurden oftmals bei der Anlegung von Tagebauen durch die BKB gefunden.

Als man begann, feste Kirchen zu errichten, legte man um sie herum einen freien Platz an, auf dem die Toten ihre letzte Ruhestätte fanden. Sie waren somit der Kirche und den Gemeindemitgliedern, die bei ihren Kirchengängen an ihnen vorübergehen mußten, nah. So blieben die Lebenden mit den Toten eng verbunden.

Im Bereich der ummauerten Stadt Helmstedt gab es zwei Begräbnisplätze: den um St. Stephani und einen weiteren um St. Walpurgis. Der größere der beiden war der bei der Stephani-Kirche. Er wurde bereits im 17. Jahrhundert zu klein. 1702 heißt es, „daß für die Todten fast keine Stelle mehr übrig sey“. Deshalb wurde der Friedhof um den Organistengarten – das darauf befindliche Haus wurde abgerissen – zum Süden hin erweitert. Damit war das Problem nur vorübergehend gelöst, denn 1754 verlangte Herzog Carl, einen Gottesacker außerhalb der Stadt anzulegen. Die Stadt war nicht so dafür, sie verzögerte diese Angelegenheit. Deshalb ließ der Herzog 1770 schreiben, „daß diese Sache endlich einmal zustande komme“. Man solle die Begräbnisplätze für beide Gemeinden aus der Stadt herausverlegen. Schon 1755 waren vier Stellen dafür in Vorschlag gebracht worden: der am vormals Spießischen Hause gelegene Wallgarten (Magdeburger Straße), ein Gelände am Schöninger Wege, ein weiteres hinter dem sogenannten Lappenberg (heute Nord/LB) und schließlich das Tanzbleek an der heutigen Gustav-Steinbrecher-Straße.

Eine dieser Stellen, wahrscheinlich die am Lappenberg, war bis 1484 der Judenfriedhof gewesen. Er schied aus, denn „so hat es etwas Bedenkliches, einen Judenkirchhof für christliche Leichen zu nehmen“. Daß die Juden auch früher schon ihren Friedhof als „ewig“ angelegt hatten, störte offenbar nicht. Übrig blieb nach weiterer Prüfung der ca. zwei Morgen große Platz am Tanzbleek. Den bisherigen Kirchhof um St. Stephani wollte man planieren und dann mit Maulbeerbäumen bepflanzen. Die Blätter dieser Büsche sollten die wirtschaftliche Grundlage der vom Herzog gerade in jenen Jahren empfohlenen Seidenraupenzucht werden.

Aber auch gegen die Wahl des Tanzbleeks als Friedhof gab es Bedenken. Einmal würde der Wind aus dem Westen die Dünste in die Stadt hineintragen, zum anderen sei unter diesem Platz Braunkohle, die für das Schöninger Salzwerk benötigt werde. Schließlich müsse in jedem Fall eine Mauer um diesen Platz gezogen werden, was zusätzliche Kosten verursache, denn das Vieh würde gern die toten Körper aus der Erde wühlen bzw., dies trug Bürgermeister Lichtenstein 1754 aus Göttinger Erfahrung bei, sei eine Mauer deshalb nötig, „schon damit die Studiosi Medicini nicht die Cadavera ausgraben“, um dann an den Körpern die Anatomie studieren zu können.

Weil man sich nicht einigen konnte, blieb es dabei, die Plätze vor den beiden Kirchen St. Stephani und St. Walpurgis weiterhin als Begräbnisstätten zu nutzen. Den Bürgern war es sicherlich recht, hatten sie doch ihre toten Angehörigen weiterhin in unmittelbarer Nähe und harrten diese der Auferstehung im räumlichen und im sakralen Bereich der Kirche. Dennoch wurde 1758 schon von dem neuen Kirchhof auf dem Tanzbleek gesprochen. Es sollte aber noch genau 60 lahre dauern, bis er zum ersten Male benutzt wurde und der bisherige Stephani- und auch der Walpurgis-Kirchhof geschlossen wurden.

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Die Begräbnisordnung für den neuen Platz am Tanzbleek datiert vom 03.05.1818. In ihr heißt es: „Höchster Bestimmung gemäß hört mit dem 30. Junius d. J. das Begraben sowohl auf dem St. Stephans- als Walpurgiskirchhofe auf. Auf dem neuen Kirchhofe werden alle Leichen in Reihe nebeneinander begraben.“

Wenn man auch schon 50 Jahre zuvor die Anschaffung eines besonderen Leichenwagens mit einem Verdeck erwogen hatte, so brauchte man ihn nun wegen der größeren Entfernung unbedingt. Es wurden gleich zwei angeschafft, wobei mit der Beerdigung auf dem neuen Friedhof die weitere Besonderheit, daß nämlich der Pfarrer die Leiche vom Wohnhaus aus begleiten und Bekannte und Schüler dabei singen durften (das sogenannte Hinsingen), endete. Allerdings, so die Satzung, falls es dennoch ausdrücklich verlangt werde, so könne dies, jedoch nur bis zum Stadttor, weiterhin erfolgen. Beerdigt wurde weiterhin aus den Häusern heraus, d. h., der Leichnam blieb dort bis zum Tage des Begräbnisses aufgebahrt.

Die bisherigen Begräbnisarten wurden auf vier Klassen reduziert. In der ersten Klasse wurde der Leichenwagen mit vier schwarz behängten Pferden bespannt. Der Wagen wurde mit einem Baldachin versehen, die beiden Kirchenglocken läuteten in drei Pulsen. Außerdem wurde des Verstorbenen an dem nächsten Sonntag in seiner Kirche gedacht.

Die Beerdigungen der zweiten Klasse erfolgten auf dem zweiten Leichenwagen, offenbar ohne Baldachin. Hier wurde in zwei Pulsen mit beiden Glocken geläutet, ansonsten war alles wie bei der ersten Klasse.

Auch bei einem Begräbnis dritter Klasse wurde der zweite Wagen benutzt, er war aber im Gegensatz zu den anderen Klassen nur mit zwei Pferden bespannt.

Bei der vierten Klasse wurde nur auf Verlangen geläutet und dann auch nur mit einer Glocke.

Im übrigen gab es verschiedene Beerdigungszeiten: Tote der ersten Klasse wurden morgens früh, die der zweiten etwas später, die der dritten und vierten mittags bzw. gegen Abend zur lezten Ruhe gebettet.

Die Beerdigungen für Bewohner aus dem Ostendorf erfolgten weiter auf dem Kirchhof St. Ludgeri. Hier bedurfte es wegen der Nähe des Platzes zu den Häusern keines Wagens.

Die Kosten einer Beerdigung betrugen laut einer Aufstellung von 1839 in der ersten Klasse ca. 70 bis 80 Taler einschließlich Sarg, in der zweiten 40 bis 50, in der dritten 20 bis 30 und in der vierten 10 bis 15. Wahrscheinlich entfiel bei den beiden letzten Klassen der Sarg, deshalb auch die Befürchtung, Tiere würden den Leichnam aus der Erde wühlen. In der Vorstadt Neumark waren die Kosten allerdings geringer, bei den Katholiken waren sie ganz unbedeutend. Sie bestanden dort hauptsächlich aus der Bewirtung der Träger. Träger waren Freunde, Bekannte, Nachbarn, bei verstorbenen Handwerksgesellen waren es stets die Nebengesellen.

Am 02.07.1818 fand auf dem neuen Friedhof (unserem heutigen „Alten Friedhof" an der Gustav-Steinbrecher-Straße in der Nähe der Lademann-Realschule) die erste Beerdigung statt[1].

Mitte des vergangenen Jahrhunderts war dieser Platz leider schon wieder zu klein geworden. Er wurde 1848 zwar um vier Gartengrundstücke erweitert, aber 1872 wandte sich der Bürgerverein an den Magistrat und beantragte dringend eine Erweiterung des Platzes auf dem Tanzbleek. Der lehnte ab, da dies wegen der Lage und der unregelmäßigen Form nicht zweckmäßig sei. Beabsichtigt sei jedoch, einen Teil eines 60 Morgen großen und zum Kloster Ludgeri gehörenden Grundstücks an der Magdeburger Straße hinter der sogenannten Gennertschen Zucker-raffinerie zu erwerben. Dies geschah dann schon 1872/1873. Es wurden 10 Morgen angekauft. Am 09.09.1872 fand dort, auf unserem heutigen Stephani-Friedhof, die erste Beisetzung statt. Der alte Friedhof wurde um die Jahrhundertwende Park.

Bereits 1873 wurde auf dem Gelände ein sogenanntes Leichenhaus errichtet „zum Aufbewahren der Gerätschaften des Totengräbers, zur Niederlegung von armen Verunglückten sowie bei etwa ausbrechenden Epidemien als Aufbewahrungsort für Leichen bis zur Beerdigung".

Sehr wahrscheinlich wurde für den Bau des Leichenhauses der von dem Kreisbaumeister Vibrans gezeichnete Riß zugrunde gelegt. Nach dieser Zeichnung war das Gebäude 8,16 m lang und 5,06 m breit, es hatte einen größeren Raum von ca. 26 qm und einen kleineren von 10 gm für die Geräte. Die Baukosten betrugen 570 Taler. Es stand am Platz des heutigen Blumenron-dells, das man erreicht, wenn man den Friedhof durch die erste Pforte betritt. Sie stammt im übrigen aus dem Jahre 1888.

Das Leichenhaus diente auch der Aufbahrung der Verstorbenen, deren Angehörige in ihren Räumen so beschränkt waren, daß sie den Toten nicht „von den Überlebenden vollständig trennen können". Gebracht wurden die Toten von den Angehörigen selbst oder vom Totengräber gewöhnlich nach 10.00 Uhr abends. Auf Wunsch hielt gegen Bezahlung der Totengräber für die Nacht vor dem Begräbnis die Totenwache. Wurde jemand ohne Totenschein in die Leichenhalle gebracht, so war eine Wache unabdingbar, bis der Tod bescheinigt werden konnte. Gerade in jenen Jahren hatte man viel von Scheintoten gelesen und gehört.

1913 wurde die neue Friedhofskapelle nach einem Entwurf des Professors Dr. Pfeiffer von der Technischen Hochschule Braunschweig gebaut. Die alte war zu klein geworden, denn man war nun dazu übergegangen, nicht von den Häusern, sondern von der Kapelle aus die Beerdigung vorzunehmen. Als Ort der Trauerfeier erhielt sie einen kirchlichen Stil mit einem Türmchen mit Glocke. Die Kosten betrugen 26.064 Mark, sie überschritten den Kostenvoranschlag nur um 64 Mark.

Aus Anlaß der Erbauung der neuen Kapelle erschien in der Helmstedter Zeitung die folgende Bekanntmachung:

„Die neu erbaute Kapelle auf dem St. Stephani Friedhofe ist fertiggestellt und wird hiermit allen Einwohnern der Stadt zur Benutzung übergeben. Zur Besichtigung ihrer Inneneinrichtung wird sie am Sonntag, dem 01.06., und am Sonntag, dem 08.06., von morgens 11.00 Uhr bis abends 06.00 Uhr geöffnet sein.
Helmstedt, den 29.05.1913
Der Stadtmagistrat Schönemann

Auch diese Kapelle existiert nicht mehr. Im März 1993 wurde sie abgebrochen, der Neubau im Herbst 1994 eingeweiht.

Der Friedhof wurde von Anfang an von der Kirche verwaltet. Während des letzten Krieges, im September 1941, übernahm ihn zwangsweise die Stadt. Am 01.04.1950 wurde er jedoch in die Verwaltung der Kirche zurückgegeben[2]), Der Grund und Boden gehörte aber weiterhin der Stadt. Grundlage der Entscheidung damals war das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungs-wesen des Landes Braunschweig vom 23.11.1927. Danach hatte eine Gemeinde die Möglichkeit, einen neuen, dann gemeindeeigenen Friedhof anzulegen, sofern der bisherige belegt war. Durch Vereinbarung mit der Kirchengemeinde konnte auch eine bestehende Begräbnisstätte ohne diese Voraussetzung in die kommunale Verwaltung übergehen.

An den Begräbnisplatz um die Stephani-Kirche erinnern heute noch die Grabplatten, die sich außen an dem Gebäude befinden. Schon bald nach der Schließung hatte man einen Teil des Kirchhofes an den Holzhändler Overlach verpachtet, der daraufhin sein Holz dort lagerte. Das alles zeugt von wenig Pietät gegenüber den Verstorbenen. Die Ehrfurcht vor den Gräbem war aber auch vorher nicht sehr verbreitet. Die Grabstelle des bedeutendsten Chirurgen des 18. Jahr-hunderts, Professor Heister, der 1758 in Bornum verstorben war, war schon 1784 kaum auffind-bar. Zwei berühmte italienische Wissenschaftler, Anatom Scarpa und Volta, nach dem die Mas-einheit der elektrischen Spannung „Volt" benannt wurde, besuchten Beireis in jenem Jahr und wollten auch die letzte Ruhestätte dieses großen Mediziners sehen. Erst Professor von Crell erinnerte sich der Grabstätte seines Großvaters. Irgendwo fand man dann auch den mit Moos überwachsenen Stein mit der schwer lesbaren Inschrift und damit die letzte Ruhestätte des für die Wissenschaft und für Helmstedt so bedeutenden Mannes[3]). Auch die Grabstelle des nicht minder berühmten Beireis ist unbekannt.

Besser erhalten sind die Erinnerungen an Personen, die den Vorzug hatten, innerhalb der Stephani-Kirche beerdigt zu werden. Wir sehen heute noch in der Kirche die verschiedenen Epitaphe, darunter z. B. das des berühmten Helmstedter Theologen Georg Calixt (Papenberg 21), während dagegen sein auf dem Gebiet der Jurisprudenz und der Medizin ebenso bekannter Kollege Hermann Conring (Ziegenmarkt 7) in der Dorfkirche Groß Twülpstedt - ihm gehörte dot das Gut - in einem Steinsarg seine ewige Ruhe gefunden hat.

Der Helmstedter Theologieprofessor Justus Christoph Boehmer (1670 bis 1732, in Helmstedt von 1698 bis 1727) hat in einem Druck die bis dahin bekannten Grabstätten festgehalten. In der Kirche St.-Stephani befanden sich danach 1710 sehr viele Grabmäler, von denen heute noch 43 offenkundig nachgewiesen sind[4]). - Auch in der Marienberger Kirche befanden und befinden sich heute noch einige Grabsteine, gegenüber Stephani jedoch weniger. Böhmer hat 25 aufgelistet. Wir finden das Epitaph der Frau des Amtmanns Köhler, verstorben 1711, gleich von an der Südseite, und in der Turmkapelle rechts das der Domina Catharina Ursula Cuno, Tochter eines Helmstedter Bürgermeisters, verstorben am 15.10.1724. Das Epitaph entstammt der Werkstatt des Helmstedter Künstlers Michael Helwig, Kybitzstraße 25. In der linken Turmkapelle hat Hermann von der Hardt, Propst von 1698 bis zu seinem Tode 1746 und zugleich Professor an der Universität, die letzte Ruhe gefunden. An weitere Begräbnisse in alter Zeit erinnern die Epitaphe im Kreuzgang, und bis in unsere Zeit hinein wird für die Klosterbewohner der Innenhof als Begräbnisstätte genutzt. Für St.-Walpurgis sind auch über 1710 hinaus insgesamt 28 Begräbnisse in der Kirche, zum Teil in einem Gewölbe, festgestellt.

Aber nicht immer sicherte das Begräbnis in einer Kirche die Erinnerung auf ewig. In der Collegienkirche am Markt/Ecke Neumärker Straße haben mindestens 35 Beisetzungen stattge-funden. Studenten, Professoren wie auch deren Angehörige liegen dort begraben. Die erste Beerdigung fand 1705, die letzte am 24.04.1808 statt. Der Universitätsquästor Ludwig Julius Urban Franckenfeld wurde am 30. Mai 1776 in einem Gewölbe in der Universitätskirche beigesetzt - NSAW 1 Kb 609, S. 464. Mit Schließung der Universität verlor diese Kirche ihre eigentliche Aufgabe. Die Orgel soll 1810 in die Kirche St. Marienberg, das Gestühl in das Juleum und die Glocke in das Landesmuseum nach Braunschweig gekommen sein. Die Gruft mit den 35 Helm-stedter Universitätsangehörigen wurde zugeworfen. Aus einer Akte aus dem vorigen Jahrhundert konnte ich ersehen, daß sich jemand darüber beschwerte, daß Arbeiter sich gegenseitig mit den Schädeln der dort Bestatteten bewarfen.

Der größte Friedhof außerhalb der eigentlichen Stadtmauern war der der Neumark um Kirche und Kloster St. Marienberg. Noch vor einigen Jahrzehnten konnte man dort einige Grabstellen an den Eisenkreuzen erkennen. Erhalten geblieben ist nur noch das der Christiane Louise Weigel am Eingang des Kirchhofs. Das Kreuz ist ziemlich verwittert, der Name ist noch lesbar, das Todesjahr, 1864, ist nur noch aus den Akten zu ermitteln. Auf der Rückseite kann man den Satz: „Sanft ruhe ihre Asche" gerade noch entziffern.

Dagegen sind von unserem „Alten Friedhof" an der Gustav-Steinbrecher-Straße sämtliche Grabmonumente verschwunden. Noch im letzten Weltkrieg erinnerte mancher Stein an die eigentliche Nutzung dieser Anlage. Mit dem Einzug der Amerikaner wurde der „Alte Friedhof" Abstell- und Übungsplatz für Panzer und Lkw. Er wurde uns in einem verwüsteten Zustand zu-rückgegeben. Seitdem gibt es dort keine Erinnerung mehr an die Toten des vorigen Jahrhun-derts.

1871 war der Friedhof um die Marienberger Kirche nahezu belegt, obwohl man ihn 1847 noch einmal hatte erweitern können. Es kam 1872 zu einem Ankauf von zwei Morgen Land am Pastorenweg „Auf der Klappe". 1873 gab es dort die erste Beerdigung, auch die erste Leichenhalle wurde in jenem Jahr für 215 Taler errichtet. 1896 kaufte die Stadt weitere vier Morgen, nunmehr rechts vom Pastorenweg an, obwohl Probebohrungen ergeben hatten, daß in den Gruben Wasser stand. 1929 hatte die alte Friedhofskapelle ausgedient, eine neue und heute noch bestehende wurde gebaut[5]).

Der Friedhof der katholischen St. Ludgeri-Gemeinde befand sich ebenfalls unmittelbar an der Kirche. Hier wurde bis 1838 beerdigt. Damals zählte die Gemeinde etwa 250 Seelen, heute sind es 4.000. Dann wich man auf ein Gartengrundstück Ecke Magdeburger Tor/Harbker Weg aus. Am 20.05.1838 war dort die erste Beerdigung. 1888 war dieser Friedhof nahezu belegt. Zunächst beabsichtigte man deshalb, das Gelände zwischen dem Magdeburger Tor und dem Tangermühlenweg gegenüber dem heutigen Arbeitsamt anzukaufen. Schließlich entschied man sich für ein Gelände unmittelbar am Stephani-Friedhof. Der katholischen Kirchengemeinde wurde deshalb eine Fläche von einem Morgen dort überlassen, wo sich heute noch ihr Friedhof befindet. Auf der alten Stätte am Harbker Weg befindet sich heute ein katholischer Kindergarten.

Ein weiterer, aber schon seit 100 Jahren nicht mehr benutzter Friedhof befand sich an der heutigen Juliusstraße auf dem freien Gelände zum Batteriewall hin. Er diente den Bewohnern des Georgienhofes als Begräbnisstelle. Die vielen Helmstedtern noch unter dem Namen Jürgen-hof bekannten Gebäude wurden im Dezember 1968 abgerissen. Sie standen an der Südseite des Harsleber Tores. Ursprünglich war dieser Hof ein Spital, in dem Aussätzige, also Menschen mit einer ansteckenden Krankheit lebten. Zu dem Bereich gehörte auch die Georgskapelle Neumär-ker/Juliusstraße (heute Juweliergeschäft).

Der Hof wurde im 18. Jahrhundert der zur Stadt gehörenden Armenverwaltung übergeben. Die ihm weiterhin zustehenden Einkünfte, wie z. B. Zinsen aus Kapitalien und Pachtgelder, kamen damit in die Armenkasse. Nachdem es kein Hospital mehr war, wurden die Wohnungen an Familien auf Lebenszeit gegen ein geringes Entgelt - zuletzt 100 Taler - vermietet.

Diese sogenannten Hospitaliten hatten das Recht, im Garten des Hospitals beerdigt zu werden. Das war der im vorstehenden Absatz genannte Friedhof. Mitte des vorgen Jahrhunderts wurden die Wohnungen ohne Sonderrechte vermietet. Aber auch diese Mieter wollten nicht auf Marienberg beerdigt werden. Dem schloß sich der dortige Pfarrer du Roi, an. Der Magistrat der Stadt widersprach jedoch diesem Begehren, das Konsistorium schloß sich dem durch Entscheidung vom 20.08.1861 an. So war diese Begräbnisstelle nur noch für die letzten drei Hospitaliten geöffnet. Mit deren Ableben konnte sie endgültig geschlossen werden.

Kommen wir zum vorletzten Begräbnisplatz: dem der Juden in Helmstedt.

Im Mittelalter beerdigten die Juden ihre Angehörigen in der Nähe des Lappenberges (auf dem Gelände der heutigen Post und Nord/LB). Mit dem erkauften Abzug der Glaubensjuden, die letzte Familie verließ 1485 Helmstedt, hatte dieser Friedhof keine Bedeutung mehr. Er ver-fiel. Erst in der Franzosenzeit, Anfang des vorigen Jahrhunderts, durften sich Juden wieder in Helmstedt ansiedeln. So gab es 1812 eine israelitische Gemeinde. Deren Vorsteher, der Geldwechsler Moritz Lehmann, wandte sich an den Magistrat und bat um Überlassung einer eigenen Begräbnisstätte am sogenannten Schwarzen Berge an der heutigen Emmerstedter Straße. Wahrscheinlich wurde dieser Vorschlag nach Absprache mit der Stadt gemacht, denn der Platz auf dem Gelände der heutigen „Hellac" lag weit draußen und bestand nur aus Sand und Heide. Die jüdische Gemeinde erhielt 1813 diese Stelle zugewiesen. Von dieser Zeit an fanden dort auch Juden aus der Umgebung ihre letzte Ruhe, so z. B. 1821 ein Kind aus Weferlingen, weil es in diesem Ort keinen jüdischen Friedhof gab.

1873 will die jüdische Gemeinde ihren Platz einfriedigen. Ihr Vorsteher, der Kaufmann Frie-de, Papenberg 1, erbittet von der Stadt 400 Taler als Zuschuß für den Bau einer Mauer. Es stellt sich aber heraus, daß diese zu teuer wäre. Man verhandelt deshalb wegen eines anderen Platzes, der von vornherein entsprechend geschützt und der auch so beschaffen ist, daß zum Schmücken der Gräber Blumen mit Erfolg angepflanzt werden können. So bekommt die jüdische Gemeinde an der Magdeburger Straße einen neuen Friedhof, auf dem 1892 mit dem Begräbnis des Herm Friede die erste Beerdigung stattfindet.

Was aber sollte mit dem alten Friedhof am Schwarzen Berge werden? Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde war bereit, ihn der Stadt zu überlassen. Das aber stieß auf den Protest des Landesrabbiners Dr. Rulf aus Braunschweig, denn die Veräußerung eines jüdischen Begräbnis-platzes sei durch Gesetz und Herkommen streng untersagt. Der Rabbi verwies auf die Statten, die über Jahrhunderte hinaus, so z. B. der alte Friedhof in Prag, der in Berlin sogar an einer verkehrsreichen Straße, erhalten geblieben sind und weiter erhalten werden. Er hätte auch den in Worms nennen können.

So wurde über den nicht belegten und damit allerdings auch größten Teil des ca. 2 Morgen großen Geländes verhandelt. Interessiert am Erwerb war die Helmstedter Glas- und Flaschenfa-brik, denn der verlassene jüdische Friedhof lag unmittelbar hinter ihrer Fabrikationsstätte. Das Unternehmen brauchte Sand zur Herstellung seiner Produkte. Die Verkaufsverhandlungen wurden bald abgebrochen. 1905 wurden sie erneut aufgenommen. Gesprochen werden konnte aber nur noch mit dem Dr. Rulf aus Braunschweig, denn um diese Zeit gab es eine jüdische Gemeinde in Helmstedt nicht mehr. Nun konnte man aber den genutzten Teil des Friedhofes nicht mehr erkennen, denn inzwischen waren alle Gräber verfallen und von der Natur eingeebnet. Man ließ folglich die Angelegenheit auf sich beruhen.

Es kam der 1. Weltkrieg. Die Produktion - auch von Glas - hatte gegenüber der Pietät Vor-rang. Die Glashütte beutete das Gelände einfach aus. Der Friedhof verschwand. 1938 wurde die Sache wieder aufgegriffen. Eine jüdische Gemeinde gab es in Helmstedt weiterhin nicht. Das Grundstück „Am Schinderkamp" - in dieser Flur lag der Friedhof - wurde öffentlich aufgeboten und schließlich die Stadt Helmstedt im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Sehr wahrscheinlich gehört es heute noch der Stadt, denn 1943 erging die Verfügung, daß, da das Volkswagenwerk wegen des reichen Sandvorkommens Wert auf diese Grundstücke legt, es nicht an-derweitig, allenfalls nur an dieses Unternehmen verkauft werden dürfe.

Auch um die Walpurgiskirche herum wurde beerdigt. Nach Paul Jonas Meier besaß die Kirche die Taufgerechtigkeit ,trotz des in ihr befindlichen Taufsteins nicht, dagegen besaß sie noch im XVIII. Jahrh. Begräbnisrecht"[6]). Außerlich erkennbar ist dies durch den großen Grasplatz um die Kirche herum und durch den an der Außenwand (zur Walpurgisstraße hin) angebrachten Grabstein der Marie Catharine Cherubim geb. Calixt, gestorben am 18.12.1706, Ehefrau des 2 Bürgermeisters Martin Albert Cherubim. Vor diesem Epitaph liegen weiter zwei Steinsärge bzw. deren Abdeckungen.

Aber auch innerhalb der Kirche befinden sich Gräber. Robert Schaper hat in einer privaten Aufzeichnung allein 28 aufgelistet. Nicht dort, aber auf dem eigentlichen Kirchhof kam auch mancher zur letzten Ruhe, der unverschuldet tödliches Opfer einer strafbaren Handlung geworden war. So wurde am 01.05.1636 Christoph Müller auf dem Walpurgis-Kirchhof begraben. Ihn hatten, es war im dreißigjährigen Krieg, ,zwey Soldaten gehauen undt gestochen, das er also balde todt bleiben und folgend dienstags am 3t May uf S. Walpurgis Kirchof begraben" (so das Kirchenbuch). Am 09.02.1644 wurde dort ein Henning auf dem Löwenbleek in der Neumark (heute Braunschweiger Straße 32, Herberge zur Heimat) so auf den Kopf geschlagen, daß er tödlich verletzt wurde. Wenige Wochen später wurde vor dem „Lüderschen Thor" (Ludgeritor) Henning Kiene erschlagen und ebenfalls auf St.-Walpurgis bestattet. Ein Jahr später war es je-mand, der sich „bey dem brauen im heißen Wasser verbrandt" hatte. Am 25.02.1654 wurde ein Kind begraben ,bey den alten Fleischscharren, des morgens, funden worden, ist gewesen, eben als es vom Mutterleibe kommen, ... von der Raben Mutter hat man nichts erfahren können." 1657 brachte eine Mutter ihr nichteheliches Kind dadurch um, daß sie „dem Kinde mit dem Daumen die Kehle eingedrückt". Die Mutter wurde im Nordertorteich ersäuft und danach anato-miert, das Kind auf St.-Walpurgis beerdigt.

Auch Selbstmörder fanden dort ihre letzte Ruhe, so die Dienstmagd Margaretha. Sie war am 17.10.1674 um 05.00 Uhr morgens in einen Brunnen gesprungen und hatte sich so das Leben genommen. Ihre letzte Ruhe fand sie auf Walpurgis ,wobey ein wenig geläutet und gesungen wurde, (aber ohne Beyseyn eines predigers). „ - „Sine lux sine crux" (ohne Licht, also bei Dun-kelheit, oder ohne Kerzen, ohne Kreuz) wurde am 05.02.1652 G. Beseken, Verwalter des Klosters „Unserer Lieben Frauen auf dem Berge" (Marienberg) „bey der Feldfoigtey, außerhalb des Kirchhofes an der Mauer" beerdigt. Er hatte sich vier Tage vorher in seiner Kammer erschossen. Die Feldvogtei war im Hause Braunschweiger Tor Nr. 4. Es zeigt heute noch über dem Eingang mit dem Pferd das sog. kleine herzoglich braunschweigische Wappen des Fürstentums (siehe dazu das Kapitel „Das Helmstedter Stadtwappen").

Ebenfalls ohne Sang und Klang wurde eine Bedienstete der Universitätsapotheke am 26.10.1679 an der Mauer auf dem St. Walpurgis-Kirchhof beigesetzt, sie hatte ,daß Unmuth Ratzenpulver zu sich genommen „(Rattenpulver). Daß es in diesen bedauerlichen Fällen auch anders gehen konnte, zeigt die Eintragung unter dem 05.03.1697. Die Ehefrau des Daniel Klei-berg hatte ebenfalls Rattenpulver eingenommen und war drei Tage später daran gestorben. „Ist dennoch auff gnädigste Verordnung des Geh. Fürstlich. Consist. auf St. Stephani-Kirchhof nahe der Stadtmauer, bey der Kalkkuhle begraben." Beim Leichenbegängnis wurde gesungen: „Erbarm Dich mein", und in der Kirche wurde eine Trauerpredigt gehalten, die mit dem Segen geschlossen wurde.

Trösten wir uns damit, daß vor Gott alle Menschen gleich sind und daß er auch den Sündern, denen die Kirche auf ihrem letzten Wege den Beistand verweigern zu müssen glaubte, seine Gnade erwiesen haben wird.

Beenden wir dieses von viel Leid handelnde Kapitel mit einem Eintrag in dem evangelischen Kirchenbuch vom Juli 1793: „auf einem Montage ist unerfahrener weise der Pater-Kellner N.N. vom Closter St. Ludgeri des Morgens um 05.00 Uhr, in dem großen Graß Garten eben berührten Closters, auf den Kopf in einen Graben gestürzt, und hat auf diese Art elend sein Leben verloren.“ N.N. heißt, daß der (eigentliche) Name dem Kirchenbuchführer unbekannt geblieben ist.

BILD UNTERE HOLZMÜHLE (S. 554) Die Untere Holzmühle, kurz vor Beendorf, 1937. Sie wurde nach 1952 durch DDR-Behörden abgerissen, weil sie im Grenzgebiet lag. Foto: Archiv Elisabeth Schumann, Bad Helmstedt

Einzelnachweise

  1. Kleinert, Rudolf, „Friedhof und Bestattung in Helmstedt", Helmstedt 1976, S. 5.
  2. Kleinert, a. a. O., S. 5.
  3. Brüggemann, Artur, „Rund um den Juleumsturm", 2. Aufl., Helmstedt 1983, S. 86.
  4. Schultz, H. A., „Die Grabmale in braunschweigischen Kirchen" - St. Stephani-Kirche in Helmstedt in „Braunschweigische Heimat" 1963, S. 100 ff.
  5. Kleinert, a. a. O., S. 11 - 12
  6. Meier, Paul Jonas, „Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landkreises Helmstedt", Wolfenbüttel 1896, S. 75.