Rathaus (Helmstedt)
Das Rathaus in Helmstedt ist der Sitz des Rates und der Verwaltung der Kreisstadt Helmstedt. Das Gebäude befindet sich mitten im Zentrum der Altstadt am historischen Markt. Im Jahre 1906 im neugotischen Stil aus Sandstein fertiggestellt, ersetzt es das alte Stadthaus, das schon 1308 urkundlich erwähnt wurde und seit mehr als 700 Jahren bestand. In der zweiten Etage befindet sich der Sitzungssaal des Rates.
Geschichte
Die Vorgänger
Im Mittelalter gab es in Helmstedt drei Rathäuser (seinerzeit wurden die Synonyme Rathaus und Stadthaus gleichermaßen benutzt). In unmittelbarer Nähe zum heutigen Rathaus, dort wo heute das Rohr'sche Haus steht, befand sich das kleine Rathaus (auch Weinhaus genannt). In diesem Gebäude befand sich die Ratsweinstube. Dort wurden die nicht öffentlichen Ratssitzungen abgehalten. Das Löwenbleck (besser bekannt als Herberge zur Heimat) in der Braunschweiger Straße war ebenfalls ein Rathaus. Es diente als Gerichts- und Verwaltungsgebäude der Neumark. Auf dem Markt schließlich befand sich das Stadthaus, auf das alle in alten Karten Helmstedts eingezeichneten Wege von den Stadttoren stadteinwärts führten. Die Anfänge eines Helmstedter Rates, und damit auch der Beginn einer Verwaltung ist urkundlich übrigens erstmals im Jahr 1230 nachgewiesen.
Das damals so genannte Stadthaus wurde etwa im 13. Jahrhundert an dem von dem Abt von Ludgeri um 1100 gegründeten Markt erbaut. Es brannte jedoch wahrscheinlich gegen Ende des Jahrhunderts ab. In einer Erklärung heißt es, „dat de rat wedder denket to buwen dat raethus“. Alle 16 Ratsmitglieder unterschrieben diese Erklärung, und so wurde an gleicher Stelle am Anfang des 14. Jahrhunderts ein neues Stadthaus erbaut. Matthäus Merians Kupferstich von 1654 ist die älteste Abbildung auf der das Stadthaus mit seinem auffälligen achteckigen Turm und einem Zwiebeldach zu sehen ist. Am Stadthaus befand sich in Richtung Kornstraße die Ratswaage und an der Vorderfront des Gebäudes wahrscheinlich der Pranger.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das Stadthaus baufällig geworden und wurde in den folgenden Jahrzehnten restauriert und umgebaut. Es verschwanden die Arkaden und unter den Korbbögen wurden festes Mauerwerk und Fenster eingebaut. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es ein massives Gebäude in modernem Stil, das mit einem Turm und einer Schlaguhr versehen war. Im ersten Geschoss befanden sich der Ratsweinkeller und zwei für verschiedene Zwecke (unter anderem als Bürgermeister-Wohnung) genutzte Räumlichkeiten. Die städtischen Amtsträger und das Polizeikollegium hielten ihre Versammlungen im zweiten Geschoss ab. Die im dritten Geschoss befindlichen Kornböden wurden vermietet.
Planung und Bau des heutigen Rathauses
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts platzte die Stadt wegen des neuen wirtschaftlichen Aufschwungs und der daraus entstandenen starken Bevölkerungszunahme aus allen Nähten. Die Folge war, dass auch die Verwaltungsarbeiten zunahmen und das Stadthaus deshalb zu klein geworden war. In jener Zeit war es üblich, dass die Städte und ihre Bürger ihr Selbstbewusstsein in imposanten Gebäuden zum Ausdruck brachten und so wurde auch in Helmstedt über einen Neubau nachgedacht.
Denen, die sich Gedanken zu einem Rathausneubau gemacht haben, kam im Mai 1902 das 15. Landfeuerwehrfest zu Hilfe. Dieses fand vom 3. bis 4. Mai in Helmstedt statt. Die Stadt war reichlich geschmückt und auf dem Holzberg fand am Sonntag, 4. Mai, eine große Übung statt. Der Erbprinz war das gedachte Brandobjekt. Doch während der Übung stellte man fest, dass es im Rathaus brannte und so wurde aus der Übung ein Ernstfall. Obwohl sich die Löscharbeiten als schwierig erwiesen, konnte der Schaden durch das unmittelbare Eingreifen der Feuerwehr in Grenzen gehalten werden. Doch die Befürworter eines Neubaues sahen sich in ihren Bedenken bezüglich des Brandschutzes bestätigt. Am 31. Oktober 1902 wurde in der Stadtverordnetenversammlung schließlich der Neubau beschlossen. Den Auftrag für einen Entwurf für ein neues Verwaltungsgebäude bekam der Stadtbaumeister Schellenberg, der im November desselben Jahres die ersten Skizzen vorlegte.
Nachdem der Entwurf Schellenbergs auch die Zustimmung des herzoglichen Staatsministeriums in Braunschweig fand, wurde im Juli 1903 mit dem Abbruch des Stadthauses und dem Neubau des Rathauses begonnen. Die Diensträume der städtischen Verwaltung wurden inzwischen in dem damals leer stehenden Hotel „Erbprinz“ untergebracht. Den Auftrag für den Abriss des Stadthauses und für die Maurer- und Steinhauerarbeiten an dem neuen Verwaltungsgebäude bekam die Firma Döring und Lehrmann. Sie hatte sich bereiterklärt, die Arbeiten kostenlos auszuführen, sofern ihr der Bauschutt überlassen würde. Die nicht verkäuflichen Teile wurden zum Durchbruchplatz (heute Wallplatz) gebracht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass man bei archäologischen Grabungen dort auf die nicht verwertbaren Reste des alten Stadthauses stoßen würde. Die große Sandsteinplatte mit dem Sachsenross wurde vorsichtig vom alten Stadthaus entfernt, aus architektonischen Gründen sollte sie jedoch im neuen Rathausbau keine Verwendung finden. Das Portal des ehemaligen Stadthauses und ein Fensterbogen sind heute noch im Haus Mosheimstraße 1 zu sehen. Dort wurden diese Teile beim Hausbau integriert. Während der Abbrucharbeiten stellte man auch die im Mai 1860 erneuerte Wetterfahne des Stadthauses sicher, in deren Knopf sich unter anderem ein beschriebenes Pergament befand, das im Helmstedter Stadtarchiv aufbewahrt wird. Unter der Überschrift Pro memoria (lateinisch für Zum Gedächtnis) sind dort folgende Informationen festgehalten: die Einwohnerzahl (6442), die Beamten, Rats- und Magistratsmitglieder, die Prediger und die Lehrer, der städtische Etat sowie die Kornpreise.
Am 12. März 1904 erfolgte die Grundsteinlegung, bei der eine verlötete Kapsel in den Grundstein eingelassen wurde. Diese enthält unter anderem das – damals aktuelle – Adressbuch der Stadt, Münzen sowie eine Sammlung von Helmstedter Ansichtskarten.
- »So erstehe dieses Haus mit Gottes Hilfe, der Stadt zur Zierde, der Bürgerschaft zum Segen, der Nachwelt zur Freude.«
- – Franz Schönemann, 12. März 1904
Das neue Rathaus wurde bei der damals üblichen Anleihe an die Gotik des Mittelalters im neugotischen Stil aus blankem Sandstein errichtet. Das Material kam aus den Steinbrüchen bei den früheren Holzmühlen im Brunnental und aus den Sandsteinbrüchen in Wefensleben. Aus den Wefenslebener Platten wurde beispielsweise die ganze Seite an der Kornstraße gefertigt. Am 31. August 1904 konnte Richtfest gefeiert werden und aufgrund der zügig laufenden Arbeiten rechnete man mit einer Fertigstellung im November 1905. Doch wie heute gabe es auch früher kleine Pannen beim Bau. Der Stuckateur beispielsweise der die Sprüche, die rechts und links und in der Mitte im Treppeneingang bis heute zu sehen sind, zunächst mit „Jedem Recht“ statt „Jedem gerecht“ geschrieben. Er korrigierte selbstverständlich sein Werk und so steht dort in der Mitte „Jedem gerecht“, links und rechts flankiert von „Recht geht vor Macht“ und „Reifer Rat rasche Tat“.
Insgesamt kostete der Rathausneubau 334.749,80 Mark (veranschlagt waren 225.000,00 Mark), der zum Teil aus Rücklagen und zum Teil durch Anleihen finanziert wurde. Der Kreisausschuss stellte zusätzlich 2.000 Mark für die Einrichtung des Sitzungssaales zur Verfügung. Dafür sollte die Stadt dem Kreisausschuss den Saal für deren Sitzungen zur Verfügung stellen. Weitere 1.500 Mark stifteten der Magistrat und die Stadtverordneten für das Mittelfenster des Sitzungssaales. Am unteren Rand dieses Fensters sind deren Namen bis heute zu lesen. Die Bauarbeiten waren schließlich Ende 1905 beendet. Auch wenn der ursprüngliche Termin nicht eingehalten werden konnte am 23. Januar 1906 die große Einweihungsfeier stattfinden. Eingeladen war etwa 100 Herren (ausschließlich Herren!), darunter auch der Innenminister Adolph Hartwieg, ehemaliger Bürgermeister von Helmstedt und Hildebert Guericke, ein weiterer ehemaliger Bürgermeister der Stadt. Zusammen mit Bürgermeister Franz Schönemann sind sie übrigens bis heute auf dem rechten Seitenfenster des Sitzungssaales zu sehen. Der Stadtbaurat Schellenberg übergab den Schlüssel des neuen Verwaltunsgebäudes, der auf einem mit dem Helmstedter Wappen bestickten Seidenkissen lag, an Bürgermeister Schönemann. Nach dem Festakt mit mehreren Reden fand ein Rundgang durch das Rathaus statt. Den Abschluss bildete um drei Uhr ein Festessen im Sitzungssaal.
- »So steht nun dieser stolze Bau als ein bedeutsamer Markstein in der Geschichte unserer Stadt als ein getreues Bild ihrer Entwicklung vor uns.«
- – Franz Schönemann, 23. Januar 1906
Die große Feier der Einweihung fand wohlgemerkt am 23. Januar 1906 statt. Den Geburtstag des Rathauses feiert die Stadt allerdings immer am 26. Januar, weil in den Berichten über die Verwaltung der Stadt Helmstedt in den Jahren 1898 bis 1913 ausdrücklich steht: „Am 26. Januar 1906 wurde das Rathaus den städtischen behören übergeben und bezogen.“
Gegenwart
Auf Initiative von der Ratsherrin Susanne Weihmann wurden am 27. Januar 1998 im unteren Treppenaufgang zwei Tafeln angebracht, die an das Schicksal von 13 Helmstedter Juden erinnern.
Architektur und Beschaffenheit
Dem Gebäude fehlt, das beklagen auch heute noch die Kunsthistoriker, ein einheitlicher Stil, denn der Stadtbaumeister ließ den Giebel mit Renaissanceformen verzieren und errichtete die Fenster in Spätgotik. Im Inneren wählte er den Jugendstil. Dieser Stil galt zu dieser Zeit als der letzte Schrei der bildenden Kunst. Sowohl der figürliche Schmuck an der Fassade als auch die Ausgestaltung des Einganges, des Treppenhauses und besonders des Sitzungssaales einschließlich der Fenster weisen auf vergangene Jahrhunderte hin: Christianisierung, Entstehung der Stadtgemeinde, un der Berufsgrupen, kommunale Bewegung und aufstrebendes Bürgertum, Abt und Herzog, mittelalterliche Stadt, Aufgaben der Verantwortlichen im Ratshaus, Reformation und Universität, Bürgermeister. Die Gemälde von braunschweigischen Fürstlichkeiten im Sitzungssaal unterstreichen den Bezug zum Fürstentum Braunschweig.
Brunnen
Vor dem Rathaus befindet sich ein Springbrunnen aus Knollenquarzit. Seit 2008 befinden sich am Rand dieses Brunnens 10 cm breite Metallplatten mit Entfernungen und den Namen der Orte mit denen Helmstedt eine Städtepartnerschaft unterhält. Die Metallbänder zeigen in die Richtung, wo die Partnerstädte geographisch liegen. Die Kosten für die Installation beliefen sich auf 3.550 Euro.
Glockenspiel
Das Glockenspiel am Rathaus wurde der Stadt Helmstedt im Jahr 1985 von der Volksbank Helmstedt eG zu deren 125-jährigen Bestehen gestiftet. Es erklingt vier mal täglich und zwar um 10:00, 12:00, 15:00 und 17:00 Uhr. Im September 2010 wurden die Lochbänder, die zum Abspielen der Melodien benötigt werden, entfernt. Von einer Glockenspielbaufirma aus Melle wurde stattdessen eine digitale Glockenspielsteuerung installiert. 16 neue Titel sowie vier weitere Titel speziell für die Weihnachtszeit erklingen nun zu den gewohnten Zeiten. Eine musikalische Verbindung zu einigen Städtepartnerschaften wird mit dem Abspielen der jeweiligen Nationalhymen hergestellt. „Die englische, französische und italienische Nationalhymne befanden sich im angebotenen Musikrepertoire und werden nun tageweise wechselnd zu hören sein“ erklärt Bürgermeister Heinz-Dieter Eisermann. Neben dem traditionellen „Glück auf, der Steiger kommt“ und „Freude schöner Götterfunken“ werden sich die Zuhörer auch an moderneren Stücken wie „Morning has broken“ oder Glory, Glory hallelujah“ erfreuen können.[1]
Goldenes Buch der Stadt
In das Goldene Buch der Stadt Helmstedt haben sich bis heute zahlreiche Personen eingetragen. Hier eine kleine Auswahl:
- 28. September 2007: Bundespräsident Horst Köhler
- 27. Mai 2003: Nds. Ministerpräsident Christian Wulff
- 21. Mai 1967: Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger
- 17. Juni 1965: Bundespräsident Heinrich Lübke
Siehe auch
Literatur
- Melsene Johansen: 100 Jahre Helmstedter Rathaus (Broschüre), 2006. S. 3–4, 13–19.
Weblink
Einzelnachweise
- ↑ Martina Hartmann: Neue Lieder für das Glockenspiel am Rathaus, (Website der Stadt Helmstedt, 17. September 2010).