Mit Stolpersteinen wird in Helmstedt, Emmerstedt und Königslutter am Elm sowie in verschiedenen Städten bundesweit und in mehreren Ländern Europas an das Schicksal der Menschen erinnert, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben worden sind. Es ist das Projekt des Künstlers Gunter Demnig, bei dem kleinformatige Gedenksteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern und verlegt wurden und werden und auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet.

Dieser Stolperstein am Fechtboden 5 erinnert an den von der Braunschweiger Justiz ermordeten Helmstedter Juden Moritz (Moses) Klein

Stolpersteine in Helmstedt und Emmerstedt

Für die Kreisstadt Helmstedt hatte der Rat 2010 beschlossen, auch Stolpersteine zum Gedenken an Opfer der NS-Zeit anzubringen. Einzelne Ratsleute erklärten sich dabei bereit, die Patenschaft zu übernehmen und die Stolpersteine so zu finanzieren. Am 7. Oktober 2011 wurden schließlich neun dieser Steine verlegt, und zwar an der Leuckartstraße, am Fechtboden, an der Kybitzstraße und an der Kornstraße. Anschließend fand eine Gedenkstunde im Sitzungssaal des Rathauses statt, die mit jüdischer Musik umrahmt wurde. Sechs weitere Steine wurden am 16. November 2011 verlegt, und zwar an der Schuhstraße und im Rosenwinkel in Helmstedt sowie im Ortsteil Emmerstedt an der Emmerstedter Landstraße und der Hauptstraße. Zu Beginn der Helmstedter Ratssitzung am 21. Dezember 2011 überreichte Bürgermeister Wittich Schobert gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Margrit Niemann sowie der Initiatorin Ratsfrau Susanne Weihmann Urkunden an die acht Paten bzw. Spender für die Stolpersteine. Im Einzelnen sind dies die Grundschule Emmerstedt, die Lutherschule, die Lademann-Realschule, das Gymnasium Julianum, das Gymnasium am Bötschenberg und die Giordano-Bruno-Gesamtschule sowie Lieselotte Hauer und Brigitte Gohlke.

Emmerstedter Landstraße

Am Emmerstedter Landstraße 6 gelten zwei Stolpersteine Iwan (* 9. März 1884 in Steinheim; † unbekannt) und Ida Neuburger (* 23. November 1876 in Northeim als Ida Rosenbaum; † unbekannt). Iwan, Sohn der Emmerstedter Hartwig und Lina sowie Bruder von Hugo Neuburger zog am 30. Januar 1939 mit seiner Frau Ida nach Hannover. Kurz danach war er für mehrere Monate in Buchenwald inhaftiert. Am 15. Dezember 1941 wurde er gemeinsam mit seiner Frau aus einem „Judenhaus“ in Hannover nach Riga deportiert. Dort sind die beiden unbekannt verschollen.[1]

Fechtboden

Am Fechtboden 5 gilt ein Stolperstein dem von der Braunschweiger Justiz ermordeten Helmstedter Juden Moritz (Moses) Klein (* 14. Juli 1893 in Sochaczew; † 22. September 1942 in Wolfenbüttel). Klein wurde am 14. Juli 1893 in Sochaczew bei Warschau geboren und lebte seit 1917 in Helmstedt. Am 22. September 1942 wurde er aufgrund eines Sondergerichtsurteils im Gefängnis in Wolfenbüttel hingerichtet.[2] Dem Ziegeleiarbeiter war vorgeworfen worden, zwei Mädchen sexuell berührt zu haben, eine Tat, die, wenn er sie tatsächlich begangen haben sollte, einem Arier lediglich eine Zuchthausstrafe eingebracht hätte.[3] Für den Stein fungiert das Gymnasium am Bötschenberg als Patenschule.[4] Bei der Verlegung war ein Zeitzeuge der dritten Generation nach Helmstedt angereist, es war Claus-Dieter Klein, der Enkel des Getöteten.[3]

Hauptstraße

Mit zwei Stolpersteinen wird an der Hauptstraße 13 in Emmerstedt den ehemaligen Bewohnern Meta (* 1890 als Meta Waldbaum; † unbekannt) und Hugo Neuburger (* 1886; † unbekannt) gedacht. Meta und ihr Mann Hugo, Sohn der Emmerstedter Hartwig und Lina sowie Bruder von Iwan Neuburger wollten 1937 der Tochter Ilse in Richtung Mailand folgen. Die Flucht endete jedoch offenbar erfolglos. Beide sind unbekannt verschollen. Bei der Verlegung der Steine war mit Marlies Dräger eine Ur-Emmerstedterin anwesend, die von der Freundschaft ihrer Mutter mit der benachbarten jüdischen Familie berichten konnte.[5]

Kornstraße

An der Kornstraße 4/5 wird mit drei Stolpersteinen der Familie Mindus gedacht. Josef Mindus (* 9. September 1886 in Jemgum; † unbekannt) war mit Frieda (* 6. September 1889 in Iserlohn als Frieda Waldbaum; † unbekannt) verheiratet. Die gemeinsame Tochter Carla wurde am 29. November 1926 in Helmstedt geboren. Nachdem die Familie 1938 gezwungen wurde, ihre Textilhandlung zu schließen und das Haus zu verkaufen, zogen zunächst die Tochter am 16. April, anschließend die Mutter am 26. Juli und schließlich der Vater am 1. August des Jahres 1939 nach Hannover. Vater und Tochter wurden nach ihrer Zwangsumsiedlung in „Judenhäuser“ im Dezember 1941 von Hannover aus nach Riga deportiert um und sind dort verschollen. Das weitere Schicksal von Frieda ist ungewiss.[6]

Kybitzstraße

In der Kybitzstraße sind der Familie Lilienfeld vier Stolpersteine gewidmet. An der Kybitzstraße 6 wird Martha Lilienfeld (* 8. September 1901 in Melle als Marta Mildenberg; † unbekannt) und ihren Kindern Horst (* 19. Februar 1928 in Helmstedt; † unbekannt) und Marion (* 2. Oktober 1929 in Helmstedt; † unbekannt) gedacht, an der Kybitzstraße 1 Kurt Lilienfeld (* 7. Februar 1925 in Helmstedt; † unbekannt). Bereits 1933 wurde Kurts Vater Siegfried Lilienfeld in Schutzhaft genommen und in das SA-Heim an der Kornstraße gebracht. Kurt Lilienfeld selbst wurde nach Kowno/Litauen deportiert und kam dort ums Leben. Der Bruder Siegfried Lilienfelds, Julius, wurde auch 1933 festgenommen und im SA-Heim an der Kornstraße misshandelt. Er emigrierte im August 1933 nach Paris. Seine Frau Marta und die Kinder Horst und Marion wurden dort im Januar 1944 verhaftet und starben in Ausschwitz. Die Lilienfelds haben alle ihren Ursprung in Helmstedt.[7]

Leuckartstraße

An der Leuckartstraße 12 erinnert ein Stolperstein an den langjährigen Sozialdemokraten Albert Fischbach. Wann Fischbach, der am 9. Oktober 1891 in Schwiebus geboren wurde, genau nach Helmstedt zog, ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass der Bauarbeiter an der Straße Stoben 6 (heute Leuckartstraße 12) lebte, verheiratet war und zwei Kinder hatte. Zu Beginn des Jahres 1931 wurde er zum Stadtverordneten gewählt. Im März 1933, als SA und SS auch in Helmstedt gegen kommunistische und sozialdemokratische Mandats- und Funktionsträger gewaltsam vorgingen, flüchtete er aus der Stadt. Bei seiner Rückkehr wurde er – zunächst vorübergehend – verhaftet. Es folgten jedoch weitere Festnahmen, zuletzt im Jahr 1944 nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli. Zunächst im sogenannten Lager 21 (Arbeitserziehungslager Hallendorf), anschließend in Sachsenhausen sowie im Konzentrationslager Neuengamme inhaftiert, starb Fischbach mit 53 Jahren am 17. Dezember 1944 im KZ-Außenlager Husum-Schwesing an den Folgen dieser Haft.[8]

Rosenwinkel

Im Rosenwinkel 7 erinnert ein Stolperstein an Hugo Schneemilch (* 16. Juli 1887 in Helmstedt; † 14. Mai 1939 in Buchenwald). Schneemilch wurde am 16. Juli 1887 in Helmstedt geboren. Er heiratete am 16. Mai 1915 Emilie Meier. Nachdem er mehrmals umgezogen war, kehrte er 1937 wieder in seine Heimatstadt zurück. Kurz darauf wurde er dort noch im selben Jahr verhaftet, in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht und starb dort am 14. Mai 1939.[9]

Schuhstraße

Für den Stolperstein vor dem Haus Schuhstraße 8 fungiert die Lademann-Realschule als Patenschule. Er ist dem Polen David Wegmann (* 26. Mai 1887 in Koprzywnica; † 1942) gewidmet. Wegmann wurde am 26. Mai 1887 in Koprzywnica im Powiat (Kreis) Sandomierski geboren. 1924 zog er nach Helmstedt, wo er am 3. Mai 1927 die Helmstedterin Agnes Lüders heiratete. Am 28. Oktober 1938 wurde er an die polnische Grenze deportiert, und verblieb dort bis zum 24. Juli 1939 im polnischen Lager Bentschen. Anschließend wurde er nach Lodz und am 22. Dezember 1939 nach Warschau verbracht. Ab November desselben Jahres befand er sich im Warschauer Ghetto, das ab Mitte 1940 errichtet wurde. Von dort wurde er am 16. Juni 1942 mit unbekanntem Ziel deportiert und ermordet.[10]

Stolpersteine in Königslutter am Elm

In der Stadt Königslutter am Elm wurden bisher zwei Stolpersteine verlegt.

Bahnhofstraße

In der Bahnhofstraße erinnern zwei Stolpersteine an Adolf und Henny Klimt. Sie wurden 2011 verlegt. Bei der Verlegung war mit Elisabeth Brinkmann, die extra aus Bremen anreiste, die einzige noch lebende von drei Töchtern des Ehepaares anwesend.[11]

Weblink

Einzelnachweise

  1. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 123, Helmstedt, 1996.
  2. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 120, Helmstedt, 1996.
  3. a b Stolpersteine in Helmstedt und Königslutter. In: Arbeitskreis Andere Geschichte e.V. - Rundbrief 2/11, Dezember 2011, Seite 3–5. Abgerufen am 30. Dezember 2011.
  4. Schüler des GaBö übernehmen Patenschaft. In: Website des Gymnasiums am Bötschenberg, 23. Oktober 2011. Abgerufen am 30. Dezember 2011.
  5. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 123–124, Helmstedt, 1996.
  6. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 122, Helmstedt, 1996.
  7. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 120–121, Helmstedt, 1996.
  8. Jürgen Paxmann: Kleine Denkmäler auf Bürgersteigen. In: Braunschweiger Zeitung/Helmstedter Nachrichten, Helmstedt Lokales, Seite 2, 27. September 2011. Abgerufen am 3. Januar 2012.
  9. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 125, Helmstedt, 1996.
  10. Susanne Weihmann: Die sind doch alle weggemacht – Juden in Helmstedt 1933–1945, Seite 126, Helmstedt, 1996.
  11. Sebahat Arifi: Verbeugung vor den Opfern. In: Braunschweiger Zeitung/Helmstedter Nachrichten, Helmstedt Lokales, Seite 3, 3. August 2011. Abgerufen am 30. Dezember 2011.